Freitag, 19. April 2024

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Spannungsfeld Weserlandschaft: „Macht es eigentlich noch Spaß, Landwirt zu sein, Herr Hüneke?“

Schlüsselburg. Zwischen Wietersheim und Schlüsselburg hat die Weser auf einer Länge von 30 km eine reizvolle Landschaft geformt. Doch die Idylle trügt. Die Nutzung der Felder und Wiesen rechts und links des Flusses bietet reichlich Stoff für Auseinandersetzungen. Landwirtschaft, Trinkwassergewinnung, Kiesabgrabungen, Dorfentwicklung, Naherholung und Naturschutz sorgen für Interessenkonflikte und teilweise kräftige Kollisionen. Der Petershäger Anzeiger möchte die Zusammenhänge und Entwicklungen im Rahmen einer kleinen Serie unter dem Titel „Spannungsfeld Weserlandschaft“ einmal etwas näher beleuchten. Den Anfang macht ein Interview mit dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Weserlandschaft e.V., Friedhelm Hüneke.

Es ist eine Lehrstunde der spannenden Art. Auf einer kleinen Exkursion in der Umgebung des Rittergutes Schlüsselburg zieht Friedhelm Hüneke hier und da Getreidepflanzen aus dem Boden, zeigt uns die Wurzeln, erklärt die Bodenverhältnisse, analysiert, vergleicht und macht uns immer wieder auf neue Dinge aufmerksam. In kürzester Zeit wird klar: Der Mann ist Landwirt mit Leib und Seele. Den landwirtschaftlichen Betrieb „ Rittergutes Schlüsselburg“ haben Friedhelm Hüneke und seine Frau Karin 1993 übernommen. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen werden überwiegend für den Ackerbau genutzt.  Es wachsen Weizen, Raps, Wintergerste, Zuckerrüben, Triticale und Deutsches Weidelgrass. Daneben gehören zum Rittergut Grünland, Stilllegungsflächen und Wald. Außerdem wird auf dem Hof Spargel für die Direktvermarktung angebaut. Gäste können sich in den Ferienwohnungen wohl fühlen und Landleben kennenlernen.

Das Interview mit Friedhelm Hüneke beginnen wir mit der Frage nach seiner Motivation, unter heutigen Rahmenbedingungen (EU, neue Verordnungen, öffentliche Darstellung der Landwirte) noch Landwirtschaft zu betreiben. Hünekes Position dazu: „Landwirt ist man aus Passion, mit großer Bereitschaft Verantwortung für das ihm übertragene zu übernehmen. Dazu ist ein wichtiger Grundgedanke, dass man nur Verwalter eines Betriebes auf Zeit ist und ihn unbeschadet an die nächste Generation weitergeben möchte. Das ist ja in der heutigen Diskussion die Nachhaltigkeit die wir überall suchen und fordern!“                      

Die Rahmenbedingungen, unter denen wir heute arbeiten müssen, werden aber von Tag zu Tag schwieriger. Wenn man dazu sieht, wie wir von den Medien und einseitig informierten Bürgern teilweise in eine Ecke gedrückt werden, dann macht einen das schon betroffen. Erfahrene Landwirte haben diese Dinge über Jahrzehnte hingenommen. Ich mache mir mehr Sorgen über die jüngeren Landwirte, die die Betriebe übernehmen sollen und wollen.“ Dabei sieht Hüneke eigentlich gute Chancen für den Nachwuchs: “Es gibt sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute, die den Beruf des Landwirtes einschlagen wollen. Das know how der deutschen Landwirte ist in der Welt unumstritten an der Spitze. Die Arbeit im Büro wird immer mehr, nicht zuletzt aufgrund der immer wieder aktualisierten Verordnungen. Landwirte, die heute bestehen wollen, haben ständig einen Rechner in der Hand. Wurde früher nach getaner Arbeit zusammengerechnet, wird heute schon vorab alles bis ins Detail geplant und kalkuliert, Betriebsmittel, Bodenbearbeitung, Düngung  Pflanzenschutz etc. Allerdings stehen uns heute auch moderne Hilfswerkzeuge zur Verfügung, etwa um den Stickstoffgehalt in den Pflanzen direkt auf dem Feld zu bestimmen.”

 AG Weserlandschaft e.V.

Als wäre die Tätigkeit im eigenen Betrieb nicht schon eine hinreichende Herausforderung, engagiert sich Hüneke als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Weserland e.V. ehrenamtlich auch für die Belange der Landwirte in der Region. Hüneke erläutert die Hintergründe:

“Die AG Weserlandschaft e.V. ist 1998 vor dem Hintergrund ins Leben gerufen worden, dass die damalige rot-grüne Landesregierung mit Bärbel Höhn als Umweltministerin im Zuge der Festlegung von FFH- und Vogelschutzgebieten für das Gebiet zwischen Schlüsselburg und Petershagen erhebliche Restriktionen in der Bewirtschaftung der Flächen und dazu auch in der Ausübung von Jagen und Angeln ebenso wie in der Freizeitnutzung der Weser vorgesehen hatte. Die Dinge, die uns da seitens der damaligen Landesregierung und der Naturschutzverbände übergestülpt werden sollten, waren für die Landwirte sehr gravierend. Manches davon kam schon einer kalten Enteignung nahe.

Auf Ansprache des landwirtschaftlichen Kreisverbandes und des damaligen Kreislandwirtes Friedel Teikemeier und im Austausch mit der Landwirtschaftskammer haben wir uns damals zusammengeschlossen, um uns gegen die Reglementierungen zu wehren. Ich erinnere mich noch gut: Wir haben uns jeden Sonntag hier auf dem Rittergut mit 40-50 Personen getroffen, auf Klappstühlen der Kulturgemeinschaft gesessen und uns gefragt: Wie gehen wir vor. Eine Maßnahme war eben die Gründung der AG Weserlandschaft e.V. Dann haben wir eine Demonstration mit einem Treckerkorso, Transparenten und Mahnfeuern von Schlüsselburg bis Porta Westfalica organisiert, die beeindruckt hat.

1998: Landwirte “auf den Barrikaden”

Das und die anschließende Aussprache im damaligen Ratskeller in Schlüsselburg haben Wirkung gezeigt, auch bei der Landesregierung. Über die Gebietskulisse ist anschließend mit dem Land NRW ein für 20 Jahre gültiger Kooperationsvertrag ausgehandelt worden. Als betroffene Landwirte haben wir uns durchaus in die Pflicht nehmen lassen. Daraus ist auch entstanden, dass Fraßschäden durch rastende Gänse und Schwäne zwischen  dem 15. Oktober und 15. März vom Land NRW entschädigt werden. Das Verfahren wird durch die Landwirtschaftskammer betreut und die Schätzung der Schäden auch von einem Fachmann vorgenommen, der objektiv an die Sache rangeht. Der Kooperationsvertrag läuft in diesem Jahr aus und muss jetzt neu verhandelt werden. So hat sich über die Jahre einiges eingespielt, bis der Konflikt vor zwei Jahren wieder massiv aufbrach als Folge eines von der Bezirksregierung Detmold unter dem damaligen Umweltminister der Grünen, Remmel, in Auftrag gegebenen Gutachtens.  Dies sah vor, auf der Basis der vom Umweltinstitut Höxter vorgelegten Zahlen  die Restriktionen erneut deutlich zu verschärfen. Da war wieder das Aufstülpen. Die Restriktionen träfen nicht nur den Landwirt sondern auch die Bevölkerung, denn durch Ausweitung der Gebiete und ständige Überwachung ( Ranger) findet dort wo wir alle leben Naturschutz ohne Menschen statt.

Vogelschutzmaßnahmenplan (VMP)

Wir haben in der AG Weserland e.V. über diesen sogenannten Vogelschutzmaßnahmenplan beraten und waren uns einig, das nicht so hinzunehmen. Wir sind dann einen neuen Weg gegangen und haben selbst ein erfahrenes Institut beauftragt, das sich die Vogelwelt hier angeschaut und das besagte Gutachten geprüft hat. Dabei wurden darin nicht nur handwerkliche Fehler festgestellt, die inzwischen indirekt auch aus dem Kreis des Auftraggebers anerkannt werden. Was dabei vor allem herauskam, ist, dass das Land NRW 15 Jahre und mehr eine verfehlte Jagdpolitik betrieben hat, die für die Entwicklung in der Vogelwelt mitverantwortlich ist. Es wurde immer unterstellt, dass die Bewirtschaftung der Flächen die Hauptverantwortung für den Rückgang trägt. Das wir dazu beitragen, ist nicht auszuschließen, da müssen wir ehrlich sein. Aber in dem Maße, wie es unterstellt wird, trifft das es in keinster Weise zu. Jetzt ist klar, dass die ungebremste Vermehrung der Prädatoren ( Raubwild, Schwarzwild) entscheidenden Anteil an der Entwicklung hat. Und nun ist es vom Land gewollt, dass die Jägerschaft aktiv wird und z.B. Lebendfallen aufstellt, was mit hohen Kosten verbunden ist. Die Jäger, die viele Jahre verunglimpft wurden, werden nun wieder gerufen für Aufgaben, die weder das Land oder der Kreis noch die Biostation leisten können, deren Umsetzung aber gefordert wird. Die Sachverhalte, die mit der jetzigen Landesregierung zu Thema weitergehender Vogelschutz besprochen werden, liegen im Tenor der Kooperationsvereinbarung, die vor 20 Jahren geschlossen wurde. Damit können wir leben.

Aus den Erlebnissen haben wir gelernt, bei Problemen auch selbst Sachverstand einzukaufen, ob im Bereich Verwaltungsrecht oder Biologie, sonst gehen wir unter. Und wir brauchen Einigkeit nicht nur unter den Landwirten, sondern auch Unterstützung aus der Bevölkerung. Nur gemeinsam sind wir stark. Naturschutz vor Ort kann nur mit und nicht gegen die Wirtschaftstreibenden und die Bevölkerung gelingen.

Text: Dietmar Meier, Fotos: Krischi Meier

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