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„Jagd ist aktiver Naturschutz“ – Marcus Sill über Verantwortung und Herausforderungen

Jagd bedeutet weit mehr als nur den Abschuss von Wild. Hegeringsleiter Marcus Sill erklärt, warum Jäger eine wichtige Rolle im Naturschutz spielen, wie sie mit Krankheiten wie der Vogelgrippe umgehen und weshalb ihre Arbeit 365 Tage im Jahr gefordert ist.
Hegeringsleiter Marcus Sill. Foto: Krischi Meier
Hegeringsleiter Marcus Sill. Foto: Krischi Meier

Von Jessica Höffner

Petershagen. Schon als Kind war Marcus Sill fasziniert von der Jagd, ging als junger Bursche bei Gesellschaftsjagden als Treiber mit, ehe er im Alter von 18 Jahren die Jagdprüfung ablegte. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt der 52-jährige Hegeringsleiter, warum das Jagen aktiver Naturschutz ist, das Töten dazugehört, wie sich die derzeit grassierende Vogelgrippe auf die Jäger auswirkt und welche Rolle für ihn die Jäger-Tradition spielt.

Viele Menschen haben Vorurteile gegenüber Jägern und der Jagd. Deshalb die etwas provokative Frage an Sie: Geht es bei der Jagd nur ums
Töten?
Marcus Sill: Natürlich gehört zum Jagen auch Töten. Aber Jagen ist vor allem aktiver Naturschutz, denn wir Jäger sind dazu angehalten, dass wir einen gesunden Wildbestand erhalten, die Population aber nicht zu groß wird.

Was genau bedeutet das?
Marcus Sill: Wird der Wildbestand zu groß, steigt die Gefahr von Seuchen und Krankheiten; zudem nehmen die Wildschäden zu. Dazu gehören unter anderem Verbissschäden, wenn das Rehwild junge Triebe zerstört oder Schwarzwild den Mais-Acker förmlich auf den Kopf stellt. Eine Rehricke zum Beispiel bringt pro Jahr zwei Kitze zur Welt. Bei einem guten Bestand kann man sich ausrechnen, was das an Zuwachs bedeutet. Je größer die Population dann wird, desto kleiner wird aber auch der Lebensraum für die Tiere. Deutlich wird das auch daran, dass wir viele Tiere „von der Straße“ holen mussten, weil sie totgefahren wurden. Auch das gehört übrigens zu der Aufgabe der Jäger: mögliche Nachsuchen, nachdem ein Tier vor ein Auto gelaufen ist, das Erlösen von seinem Leid und das Bergen bei Tag und bei Nacht an 365 Tagen im Jahr. Wichtig ist vor allem auch die Biotop-Schaffung und -Pflege. Auch darum kümmert sich die Jägerschaft, sorgt zum Beispiel für Wildäcker oder schafft Rückzugsgebiete für die Tiere.

Apropos Seuchen und Krankheiten: Derzeit grassiert die Vogelgrippe. Inwieweit betrifft die Ausbreitung die Jäger?
Marcus Sill: Sollte sich die Vogelgrippe in unserer Region weiter ausbreiten, wird es sicherlich auch unsere Aufgabe sein, mutmaßlich erkrankte Tiere zu erlösen. Vielleicht wird es aber auch zu einem Jagdverbot im Allgemeinen kommen.

Mit Blick auf die Population ist die der Wildschweine in der Region recht hoch. Diese Tiere sind auch für den Menschen nicht ganz ungefährlich, oder?
Marcus Sill: Ja, die Population ist hier schon sehr hoch. Eine Begegnung mit Wildschweinen ist selten, denn auch das sind Fluchttiere und sie suchen nicht die Konfrontation mit dem Menschen. Trifft man jedoch auf eine Bache mit Jungtieren, kann es gefährlich werden – denn sie wird den Nachwuchs mit allen Mitteln verteidigen. Noch gefährlicher aber ist es, auf ein verletztes Tier zu treffen. Denn das reagiert hochaggressiv.

Um überhaupt jagen zu dürfen, bedarf es einer umfangreichen Ausbildung. Um einen Einblick zu bekommen: Was wird in der Ausbildung zum Jäger gelehrt?
Marcus Sill: Der Lehrgang über die Kreisgruppe dauert von September bis Mai und der ist in der Tat sehr umfangreich. Nicht umsonst wird die Ausbildung auch das „grüne Abitur“ genannt. Inhalte der Ausbildung sind unter anderem das Wissen rund um die Wildtierarten, deren Verhalten und die Brut- und Setzzeiten der Tierarten sowie der Naturschutz und die Schießausbildung. Ein besonderer Fokus wird auch auf den Umgang mit Waffen und die Handhabung mit Waffen gelegt. Bei der Waffenprüfung reicht ein kleinster Fehler – dann ist man bereits durchgefallen.

Welche Rolle spielen denn dabei heute noch die Jagdtraditionen und Bräuche?
Marcus Sill: Für mich persönlich spielen sie eine große Rolle. Ich finde es wichtig, dass die jagdlichen Traditionen übermittelt und weitergeführt werden. Das Jagdhornblasen oder auch der „letzte Bissen“, um dem erlegten Tier die letzte Ehre zu erweisen. Oder auch das Führen eines Jagdhundes.

Naturschutz und die damit verbundene Bestandsregulierung, das Fortführen von Traditionen und Bräuchen: Sind das Argumente, warum sich Menschen für eine Jagdausbildung entscheiden sollten?
Marcus Sill: Unter anderem. Wenn man etwas für die Natur tun möchte, eine gewisse Affinität mitbringt und sich mit alldem identifizieren kann, sollte man darüber nachdenken, eine Jagdausbildung zu absolvieren. Die Jägerschaft ist darüber hinaus auch eine tolle Gemeinschaft. Wir erleben in letzter Zeit, dass sich viele jüngere Menschen – und im Übrigen auch Frauen – dazu entscheiden, die Jägerprüfung abzulegen.

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