Dienstag, 23. Dezember 2025

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Digital gegen das Vergessen: Rekonstruktion des AEL Lahde

Wo früher tausende Menschen litten, entsteht nun ein digitales Mahnmal: Forscher und Schüler aus Petershagen haben das Arbeitserziehungslager Lahde virtuell rekonstruiert – ein Projekt, das Geschichte begreifbar und die Schicksale der Opfer sichtbar macht.
Hermann Kleinebenne berichtet über die Bodenfunde. Foto: lhn
Hermann Kleinebenne berichtet über die Bodenfunde. Foto: lhn

Von Laura Harmening-Neumann

Petershagen. Als Hermann Kleinebenne 1995 vom Kühlturm des Kraftwerks Lahde aus erstmals auf das Gelände des ehemaligen Arbeitserziehungslagers blickte, ahnte er nicht, wie sehr ihn dieser Ort beschäftigen würde. Der Historiker und ehrenamtliche Archäologe aus Petershagen widmete sich in den folgenden Jahrzehnten intensiv der Erforschung des 2,5 Hektar großen Areals.

Zahlreiche Spuren sicherte er ab 2013 im Boden – aufgrund des Status als Bodendenkmal allerdings nur bis zu einer Tiefe von zehn Zentimetern. Zu den Funden zählten auch Geschosse, die für ihn darauf hindeuteten, dass Wachposten im Lager von Schusswaffen Gebrauch machten. Sein Ziel wurde mit der Zeit klarer: Das Lager und die dort herrschenden Bedingungen sollten sichtbar und nachvollziehbar werden.
Bürgermeister Dirk Breves (CDU) erinnert an die schreckliche Geschichte des Camps: „Die Zeit des Arbeitserziehungslagers Lahde war kurz – aber schrecklich und brutal. Von 1943 bis 1945 gab es 7.000 inhaftierte Männer, rund 800 kamen ums Leben. Das soll nicht in Vergessenheit geraten.“ Baulich ist nichts übrig geblieben – nur ein Gedenkstein am Rand des Areals erinnert daran.
Bereits 2008 hatte ein Angehöriger eines früheren Insassen der Stadtverwaltung ein schlichtes Holzmodell des Lagers übergeben. Später sammelten Kleinebenne, die Feuerwehr und die DRK-Drohnengruppe umfangreiche Daten, aus denen 2014 ein erster Lageplan entstand. Doch wirklich anschaulich wurde das Lager erst durch ein neues digitales Modell, das nun vorgestellt worden ist.

Die Grundlage für dieses Projekt legte die seit Langem bestehende Patenschaft der Sekundarschule Petershagen für die Erinnerungsstätte. Schüler pflegen das Gelände und gestalten jährlich eine Gedenkveranstaltung. Aus diesem Engagement heraus entstand die Idee, das Lager digital zu rekonstruieren – vor allem, um es für pädagogische Zwecke nutzbar zu machen. Für die technisch-wissenschaftliche Umsetzung gewann die Schule die Technische Hochschule Lemgo. Kleinebenne sowie die Schüler lieferten historische Inhalte, darunter Funktionsbeschreibungen der Gebäude und Biografien von Tätern und Opfern.
Seit dem Frühjahr dieses Jahres bereiteten drei Wissenschaftler der TH Lemgo, Mohamed Ashmawy, Kea Stockbrügger und Luis Gutierrez, die gesammelten Daten digital auf. Das nun entstandene Modell ermögliche es, „die harten Gesichtszüge des Lagers und dessen Auswirkungen auf die Häftlinge realitätsnah zu vermitteln“, erklärte Kleinebenne bei der Präsentation.

Das Team um Mohamed Ashmawy übertrug historische Zeichnungen in digitale Präzision. Trotz ihres verwitterten Zustands gelang es mithilfe künstlicher Intelligenz, klare Linien zu erzeugen und Strukturen wie Fenster, Türen oder Zäune zu rekonstruieren. Anhand historischer Fotos wurden die Ergebnisse kontinuierlich mit Experten abgestimmt. Auch Personen konnten auf Basis historischer Quellen digital nachgebildet werden – inklusive zeittypischer Kleidung.
Das Resultat ist mehr als nur eine digitale Kopie: Das Modell vermittelt Atmosphäre, denn Nutzer können sich im virtuellen Raum bewegen und so an Infopunkten historische Hintergründe abrufen, die ablesbar oder per Audio zu hören sind.
Derzeit ist das Projekt jedoch nur den weiterführenden Schulen zugänglich. Künftig soll die Plattform aber auch als öffentlich abrufbare Online-Version zur Verfügung stehen. Ein QR-Code kann künftig auf städtischen Internetseiten eingebettet werden, um den Zugang über mobile Endgeräte zu ermöglichen.

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