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Klimageschichte(n): Wenn Geologen auf das Klima schauen

„Geologen ticken anders“ – Warum ein Blick auf Jahrtausende hilft, den Meeresspiegelanstieg und heutige Klimadaten richtig zu verstehen.
In den Kaltzeiten des Quartärs rückten gewaltige Eisschilde von Skandinavien bis nach Norddeutschland vor. Foto: Wolfgang Hartung
In den Kaltzeiten des Quartärs rückten gewaltige Eisschilde von Skandinavien bis nach Norddeutschland vor. Foto: Wolfgang Hartung

Von Dr. Dietmar Meier

„Geologen ticken anders“ lautete vor einigen Jahren die Überschrift eines aufschlussreichen Beitrages in der Süddeutschen Zeitung, in dem zwei Bücher über das Klima vorgestellt wurden, die von renommierten Geologie-Professoren verfasst worden waren. Was den Autor des Beitrages in der Süddeutschen offenbar besonders beeindruckt und zu der Überschrift geführt hatte, war die Gelassenheit, mit der die beiden Professoren angesichts ihrer Kenntnisse über Abläufe in der geologischen Vergangenheit auf heutige Klimadaten blicken.
Wenn es in unserer schnelllebigen Zeit um aktuelle Entwicklungen geht, wird nicht selten nur noch auf eine Zeitspanne von bestenfalls zwei Generationen geblickt, manchmal sogar nur auf eine Legislaturperiode. Wenn Geologen im Unterschied dazu über Zeiträume von Tausenden oder sogar Millionen Jahren reden, ist das naturgemäß nicht nur für Journalisten gewöhnungsbedürftig. Und doch kann gerade das essentiell für das Verständnis von Abläufen in der Natur sein, auch bei der Interpretation klimarelevanter Daten.

Quelle: Wikipedia/CC BY-SA 3.0
Quelle: Wikipedia/CC BY-SA 3.0

Dazu ein Beispiel. Im letzten Beitrag unserer Klimageschichte(n) haben wir schon auf die letzte Vereisungsphase in unserer jüngeren geologischen Vergangenheit hingewiesen, den Zeitraum, in dem Gletscher von Skandinavien bis nach Hamburg vorgestoßen waren und das Wesertal seine heutige Form erhielt. Vor 20.000 Jahren, in der Hochphase dieser sogenannten Weichsel-Kaltzeit, lag der Meeresspiegel etwa 125 Meter unter dem heutigen Niveau. Teilbereiche der Nordsee, die heute als Doggerland bezeichnet werden, lagen damals trocken und waren sogar zeitweilig besiedelt.
Mit dem Anstieg der Temperaturen dem Rückzug der Gletscher am Ende der Kaltzeit stieg auch der Meeresspiegel wieder an, zunächst in beschleunigter Form, wie die Grafik veranschaulicht. Dieser Prozess hat sich auch in den letzten 5000-6000 Jahren noch fortgesetzt, wenn auch in deutlich abgeschwächter Form. Mit dem Wissen um einen solchen langfristigen, natürlichen Vorgang wird die Herangehensweise an aktuelle Daten eine andere. Für die Frage nach dem menschlichen Einfluss auf das Klima zählt nicht mehr nur die Beobachtung, dass der Meeresspiegel ansteigt. Naturwissenschaftler stehen bei der Interpretation aktueller Daten vor der Frage: Hat sich der Anstieg des Meeresspiegel im Zuge der industriellen Entwicklung beschleunigt?

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