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Standort Windheim – Binnenschiffer Christian Niemann

Beim Gütertransport innerhalb der Bundesrepublik spielen bekanntlich auch Binnenschiffe eine gewichtige Rolle.

Beim Gütertransport innerhalb der Bundesrepublik spielen bekanntlich auch Binnenschiffe eine gewichtige Rolle. Laut Statistischen Bundesamt wurden 2022 auf deutschen Binnenwasserstraßen insgesamt 182 Millionen t Güter transportiert, mit rückläufiger Tendenz. Per Schiff transportiert werden insbesondere Massengüter wie Kies und Sand, Kohle, Mineralölerzeugnisse, Erze und Metallabfälle. Je nach Ladekapazität ersetzt ein Binnenschiff dabei 50 bis 100 LKWs. Vor diesem Hintergrund ist die Weser nicht nur ein attraktives Landschaftselement in unserem Stadtgebiet, sondern auch eine wichtige Verkehrsverbindung. Mit Christian Niemann ist in Windheim ein erfahrener Binnenschiffer ansässig, mit dem wir uns einmal über seinen Beruf unterhalten haben.

Wie wird man eigentlich zum Binnenschiffer?

Bei mir könnte man sagen: Es wurde mir praktisch in die Wiege gelegt. Ich bin in eine Schifferfamilie in Windheim reingeboren worden, als mittlerweile fünfte Generation, und bin zum großen Teil bei meinem Vater an Bord aufgewachsen. An den Wochenenden und in den Ferien war ich praktisch immer mit auf dem Schiff. Ich habe schon Fahren gelernt, da war ich gerade mal sechs Jahre alt. Das hat mir wirklich Spaß gemacht, ich war von klein auf schiffahrtsbegeistert.

Nach dem Ende der Schulzeit bin ich dann offiziell bei meinem Vater in die dreijährige Lehre gegangen. Dabei gab es in jedem Jahr einen dreimonatigen Blockunterricht in der Schule. Bei meinem ersten Lehrgang befand sich die zuständige Schifferberufsschule noch im Bessel’schen Hof in Petershagen, der heute Jugendherberge ist. Kurz darauf (Anm. der Redaktion: 1994) wurde die Berufschule dort geschlossen. In den beiden folgenden Jahren musste ich zu den Lehrgängen dann jeweils für drei Monate nach Duisburg.

Was muss ein Binnenschiffer alles können?

Vereinfacht umschrieben heißt die Aufgabe primär: das Schiff am Laufen halten. Das ist anspruchsvoller, als mancher Spaziergänger am Ufer vielleicht denkt, wenn er einen vorbeifahrenden Schiffsführer auf dem Sitz am Ruder sieht. An Bord sind wir nicht nur Schiffsführer mit einer Fahrtzeit bis zu 14 Stunden, sondern auch Maschinist, Elektriker, Schlosser, Navigator, Funker, manchmal auch Tischler, wenn es um die Einrichtung der Wohnung an Bord geht, und anderes mehr. Die Ausbildung zum Binnenschiffer beinhaltet diverse Fachrichtungen vom Schiffbau über Maschinentechnik bis zur Wasserstraßenkunde. Was wir selbst nicht leisten können oder nicht dürfen, erledigt dann die Werft. Die Herausforderung und gleichzeitig das Schöne an diesem Beruf ist eben: er ist komplex.

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Und was folgte bei Ihnen auf die Ausbildung?

Im Anschluss an die Lehre bin ich zunächst bei verschiedenen Reedereien gefahren. 2003 folgte der erste Schritt in die Selbstständigkeit. Damals habe ich ein Tankschiff zunächst gepachtet und wenig später gekauft. 2005 bin ich umgestiegen, habe den Tanker wieder abgegeben und einen Trockenfrachter übernommen. 

Als es im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2008 zu einem ziemlichen Einbruch kam, bin ich für einige Jahre wieder zurück ins Angestelltenverhältnis. Anschließend bin ich als „freier Ablöser“ gefahren, das bedeutet als selbständiger Kapitän, den man am Markt beauftragen. In der Folge habe ich im Bereich Binnenschiffe so ziemlich alles gefahren, was schwimmt. Darunter waren auch Schubverbände auf dem Rhein mit über 200 Meter Länge und über 10.000 Tonnen Gewicht, vom Seehafen bis nach Basel.

Die OPAL, mit der wir jetzt fahren, hat mein Vater bis 2023 bewirtschaftet. Als er in Rente gehen wollte, haben wir uns nach längerer Überlegung für die Übernahme entschieden. Das hängt auch damit zusammen, dass meine Lebensgefährtin Sophia dabei ist, sich als Seiteneinsteigerin ebenfalls für die Steuerung eines Binnenschiffes zu qualifizieren. 

Aktuell liegt unser Hauptgeschäftsfeld im Bereich Mittellandkanal-Weser-Ems. Wir haben derzeit einen festen Auftraggeber in Brake, für den wir hauptsächlich Futtermittel und Getreide transportieren. Wir fahren viel von Brake nach Haaren/Ems oder von Brake nach Bramsche oder Magdeburg. Umgekehrt geht es dann mit Fracht von Magdeburg nach Bremen oder Brake. 

Aktuell bewegt sich die Wirtschaft in der Bundesrepublik zwischen Rezession und Stagnation. Selbst der Bundeswirtschaftsminister räumt ein, dass es um die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik derzeit nicht zum Besten steht. Ist diese Situation auch in ihrer Branche zu spüren?

In der Tat merken auch wir Binnenschiffer, dass die Auftragslage schmaler wird und als Folge davon auch das Frachtpreisniveau einbricht. Da sich die Wirtschaft fast überall auf Talfahrt befindet, gibt es auch für Binnenschiffe zunehmend weniger Güter zu transportieren. Das hat dazu geführt, dass wir hier mittlerweile eine Überkapazität von Schiffsraum auf dem Markt haben. 

Erschwerend kommt noch hinzu, dass auch holländische Unternehmen, die bislang hauptsächlich auf Rhein, Mosel und Neckar gefahren sind, jetzt zunehmend auch auf Weser und Mittellandkanal drängen. Im Rahmen von Angebot und Nachfrage sorgt dieser zusätzliche Konkurrenzdruck noch mehr dafür, dass die Preise unter Druck geraten.

Anmerkung der Redaktion: Vom Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt mit Sitz in Duisburg haben wir auf Nachfrage erfahren, dass im vergangenen Jahr 2023 im Wesergebiet 6,7 Millionen Tonnen Güter per Binnenschiff befördert wurden, während es im Jahr 2022 noch 7,7 Millionen Tonnen waren. (ddm)

Die OPAL (auf dem Foto bei der Ausfahrt aus der Weserschleuse Minden) wurde 1942 zunächst als Schleppkahn (ohne Motor) konstruiert und 1965 zum Motorschiff umgebaut. Angetrieben wird das Schiff von einem Deutz Dieselmotor mit 750 PS, der laut Christian Niemann bis heute „wie eine Eins“ läuft. Die Ladekapazität beträgt 1317 Tonnen. Da die OPAL stetig gepflegt und modernisiert wurde, ist das Alter des Binnenschiffs kaum zu schätzen. Fotos: Dietmar Meier
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