Wer gehört denn eigentlich zum Verein der Ortsheimatpflege dazu?
Doppelt hält besser, heißt es ja sprichwörtlich, und so haben wir einen kleinen, gemeinnützigen Verein im Angebot, zu dem auch der ehrenamtliche Ortsheimatpfleger von Petershagen gehört. Uns verbindet das Interesse an der Ortsgeschichte, ihren Quellen, und ihrer Pflege. Meist widmen wir uns über einen längeren Zeitraum bestimmten Themen, die fachlich interessant sind. Zuletzt haben wir ein Pfarrbuch aus dem Spätmittelalter veröffentlicht. Unsere Monatstreffen sind zumeist Arbeitstreffen, manchmal auch gesellige Klönabende. Zum eingespielten Vorstandsteam gehören Sabine Lewin, Karen Schmidtke und Dietrich Kloth. Wir ergänzen uns fachlich sehr gut, das beginnt bei der historischen Recherche, führt über die Erschließung archivalischer Quellen bis hin zu den digitalen Disziplinen.
Was raten Sie Interessenten, die überlegen, in den Verein einzutreten?
Wir sind vermutlich der einzige Verein in Westfalen, der kaum Mitgliederwerbung betreibt. Es soll der Gedanke eines historischen Arbeitskreises im Vordergrund stehen. Entsprechend sind alle willkommen, die uns in diesem Sinne unterstützen oder fördern möchten. Hierbei folgen wir dem Leitbild des Heimatbundes. Die Homepage zeigt alle Details.
Seit wann sind Sie Ortsheimatpfleger von Petershagen?
Die Kulturgemeinschaft hat sich kurz vor dem Millennium für meine Ernennung eingesetzt. Nach meinem Studium landete die Familie wieder in meinem Geburtsort. Zu dieser Zeit hatte ich mit einem Religionskurs ein umfangreiches Projekt durchgeführt, das sich mit der Nutzung der damals noch baufälligen Synagoge beschäftigte. Nachdem der Landrat unsere Schülerumfrage in der Mindener Gedenkveranstaltung referiert hatte und auch ein Radiobeitrag entstanden war, kamen viele Prozesse in Gang, die später zur Gründung der Synagogenvereine führten. In den vergangenen Jahrzehnten habe ich mich dann nach und nach mit allen Epochen der Ortsgeschichte beschäftigt, wobei mir die Erschließung der regionalen Quellen besonders am Herzen liegt.
Was bedeutet die Arbeit als Heimatpfleger für Sie?
Das Ehrenamt ist für mich engagierte Freizeitgestaltung. Abenteuerliche Recherchen und erholsame Archivarbeit wechseln sich ab. Es ist ein unglaubliches Erfolgserlebnis, nach einer langen und oft mehrjährigen Detektivarbeit ein bestimmtes Dokument, das eine Schlüsselrolle in der Ortsgeschichte spielte, endlich in den Händen zu halten, zuletzt beispielsweise die Gründungsurkunden des Gymnasiums, der Vormbaumschule. Sie feiert am 1. April 2025 ihr einhundertjähriges Jubiläum. Es gibt nichts Schöneres, als an heißen Sommertagen in klimatisierten Archivräumen die altehrwürdigen Akten von Petershagen zu durchstöbern. Besonders hat es mir das Geheime Staatsarchiv in Berlin angetan. Jetzt wissen Sie, wo ich mich in den Ferien herumtreibe.
Was sind Ihre Aufgaben?
Die Ortsheimatpfleger von Petershagen definieren ihre Aufgaben weitgehend selbst. Die Gemeindeordnung besitzt hier eine Leerstelle. Die Stadt hat in der Vergangenheit nur punktuelle Initiativen zur Darstellung ihrer Geschichte entwickelt. Sie folgt dem Schema, kulturelle Aufgaben an Trägerkreise auszulagern. Entsprechend sind meist Privatpersonen oder Historiker unsere Ansprechpartner. Typische Fragen sind: „Haben meine Urgroßeltern auch in Petershagen gewohnt? Wie alt ist mein Haus? Gibt es regionale Literatur zu einem bestimmten Thema? Wo werden die Kirchenbücher aufbewahrt?“. Die Überlieferung der Heimatpflege kann oft weiterhelfen. Natürlich führen wir auch eigene Veranstaltungen durch, Stadtrundgänge, Filmabende und Ausstellungen, zuletzt mit den mittelalterlichen Urkunden unserer Stadt.
Auf der Website des Vereins haben Sie kürzlich einen digitalen historischen Stadtrundgang veröffentlicht. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Der Verein hat die Pandemiezeit dazu genutzt, um Inhalte digital bereitzustellen. Hier war ein Scheck des Heimatministeriums eine große Hilfe. Hans Luckfiel hat eine neue Internetseite mit innovativem Design entwickelt. Seit dem Sommer gehören nun „Handygänger“ zum Stadtbild. Ein Tipp: Man kann den Rundgang auch gemütlich vom iPad starten.
Welches Thema liegt Ihnen aktuell besonders am Herzen?
Zum Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben“ werden wir im Sommer eine neue Quellenausgabe mit dem Titel „Schule und Synagoge“ herausgeben. Dieser Band vereint die Dokumente zur jüdischen Elementarschule. Unsere langfristigen Bemühungen gelten aber dem Schloss. Drei Jahre nach der Hotelschließung ist die Zukunft des Denkmals und auch der Sammlung ungewiss. Der Verein ist nach vielen Gesprächen mit Vertretern von Fachverbänden zu der Ansicht gelangt, dass nur eine multifunktionale Nutzung langfristig eine Perspektive hat.
Woran denken Sie im Detail?
Lassen wir also der Fantasie freien Lauf: Nach Abschluss eines Architekturwettbewerbs errichtet die Stadt ein neues Verwaltungsgebäude mit Anbindung an das Schloss, der Bürgermeister zieht in den Rittersaal ein. Ein kleines Café betreut Mitarbeiter und Touristen. Sie besuchen das Schlossmuseum und treffen über den verlegten Radweg, vorbei an Stauwehr, Mühle und Besselhof, bei uns ein, vielleicht auch über die erneuerte Weserfähre? Die
Musikschule bekommt ein endgültiges Domizil, und rückseitige Lagerräume werden von Handwerkern genutzt. In Hameln betreibt die Burg Aerzen ein solches Projekt. Hierfür bedarf es einer Projektplanung aus öffentlicher Hand. Kriterium ist der Stellenwert der regionalen Identität.
Was passiert mit dem Verlies?
Hier finden wir eine Lösung!
Ist das nicht sehr zeitintensiv, können Sie die Tätigkeit mit Ihrem Beruf als Lehrer am Gymnasium Petershagen vereinbaren?
Gut, dass Lehrer Gedichte deutscher Klassiker zitieren dürfen: „Der Adler und die Schnecke. Adler: Wie find‘ ich dich, du träges Tier, auf diesem Eichenwipfel hier? Wie kamst du her? – So rede doch! Schnecke zum Adler: Je nun, ich kroch. Sein hohes Ehrenamt gewann nicht anders mancher Schneckenmann.“ Den Autor verrate ich nicht.
Text: Annalena Sundmäker, Fotos: Dietmar Meier (1), privat (1)