Wenn ein Hund aus dem Tierschutz bei seiner neuen Familie einzieht, dann verhält er sich anfangs häufig ruhig und zurückhaltend. Er scheint anspruchslos und macht überhaupt keinen Ärger. Das liegt daran, dass er erstmal rausfinden möchte, wo er gelandet ist, mit wem er es zu tun hat und welche Regeln in seiner neuen WG gelten. Wenn man das alles noch nicht weiß, ist es besser erstmal ganz kleine Brötchen zu backen. Allerdings sind Hunde wahnsinnig gut darin, soziale Strukturen und auch deren Schwachstellen zu erkennen. Sobald Struppi die Lage ausreichend abgecheckt hat, beginnt er seinen Rucksack auszupacken.
Territorialverhalten
Bellen am Gartenzaun, bei Besuch oder wenn der Postbote klingelt, zeigen viele Hunde erst nach Tagen oder Wochen. Logisch! Denn nur wenn der Hund sein neues Zuhause als solches betrachtet, macht dessen Verteidigung Sinn. Wer vorsorgen möchte, der lässt seinen Hund erstmal gar nicht allein im Garten und bringt ihm von vorneherein ein ruhiges Ritual für Besuchssituationen bei.
Hundebegegnungen
Grade bei Hunden aus dem Auslands- Tierschutz kommt es oft vor, dass sie bei Begegnungen mit Artgenossen an der Leine komplett eskalieren, aber ohne Leine verträglich sind. Auch dieses Verhalten wird in der Regel nicht am ersten Tag gezeigt, sondern steigert sich mit der Zeit. Eine mögliche Erklärung ist, dass viele Hund keine Leine, geschweige denn eine Leinenführigkeit kennen. Sprich sie durften immer freilaufen und haben selbst entschieden wann sie wo hin gehen und ob sie Kontakt zu Artgenossen aufnehmen oder nicht. Wenn sie nun plötzlich immer angeleint sind (was absolut richtig und wichtig ist, wenn man noch keine Bindung zu seinem Tier hat), ist das sehr frustrierend. Der Frust, den diese Hunde empfinden, äußert sich häufig durch Bellen und Ziehen an der Leine. Wer frühzeitig an der Frustrationstoleranz seines Hundes und der Leinenführigkeit arbeitet, der kann nicht selten dafür sorgen, dass das Pöbeln im Rucksack bleibt und gar nicht erst ausgepackt wird.
Das Alleinsein
Klappt zu Beginn oft problemlos. Warum auch nicht? Der Hund hat schließlich auch noch keine Beziehung zu seinen neuen Menschen, folglich ist es ihm egal, wenn diese das Haus verlassen. Wenn die Bindung dann enger wird, kann sich das schnell ändern. Vielleicht hat Bello aber auch noch nie probiert, wie Designer Schuhe eigentlich schmecken, oder was passiert, wenn man ein Loch in eine Couch buddelt und hält eure Abwesenheit für die perfekte Gelegenheit diese Wissenslücken zu schließen. Viele Tierschutzhunde kennen das Leben im Haus nicht. Man kann jedoch vorsorgen, in dem man das Alleinsein kleinschrittig übt und zusätzlich eine Kamera aufstellt, um den neuen Hausgeist im Auge zu behalten.
Dies sind nur ein paar Beispiele. Niemand weiß genau, was ein Hund alles in seinem Gepäck hat. Fest steht nur: Früher oder später wird ausgepackt.
Warum ich das schreibe: Durch meine Arbeit mit dem Tierschutz habe ich schon mehrfach mitbekommen, wie Hunde sich verändern, wenn sie bereits vermittelt wurden und dann doch wieder im Tierheim landen. Tiere, die vorher sehr kooperationsbereit waren, zeigen auf einmal Aggressionsverhalten und lassen sich kaum noch händeln, andere ziehen sich zurück und scheinen depressiv, wieder andere sind völlig überdreht und kommen kaum noch zur Ruhe. Die Chance auf eine erfolgreiche Vermittlung rückt somit in weite Ferne.
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen sich mehr Gedanken machen BEVOR der Hund einzieht und BEVOR er eventuell beginnt Probleme zu machen. Denn viele Probleme müssen gar nicht erst entstehen, wenn man frühzeitig agiert und sich im Zweifelsfall Hilfe sucht.
Second-Hand-Hunde sind Hunde mit Geschichten. Sie haben mitunter schweres Gepäck dabei. Daher sollte man sorgfältig planen und muss trotzdem immer damit rechnen, dass der Hund ganz aus Versehen den Plan auffrisst 😉 Aber wenn man sich für diesen Weg entscheidet und ihn bis zum Ende geht, wird man belohnt und bekommt einen treuen Begleiter!
Text: Julia Fuhrmann, Foto: Krischi Meier