Donnerstag, 28. März 2024

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Vermutlich erster Wolfsriss in Petershagen

Karte: OpenStreetMap-Mitwirkende, Grafik: Krischi Meier

Ilse/Ilvese. Am Freitag, den 7. Februar, erhielt der Petershäger Anzeiger Aufnahmen, die einen Wolf auf dem Weg durch das nördliche Stadtgebiet zeigen. Die erste Sichtung wurde am späten Vormittag im Raum Ilvese auf Video dokumentiert, die zweite am frühen Nachmittag vor einer Schafherde im Ilser Ortsteil Wulfhagen. Etwas später folgte noch eine Sichtung zwischen Ilse und Rosenhagen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) hat nun bestätigt, dass es sich bei der Sichtung um einen Wolf handelte.

Am Samstagmorgen folgte dann die Entdeckung eines gerissenen Schafes auf einer Weide im Bereich “Hagedorn“ westlich von Rosenhagen. Zudem vermeldete Schäfer Joachim Kuhn auch ein vermisstes Lamm. Die Dokumentation des Risses und die Entnahme von Proben für eine DNA-Untersuchung erfolgte durch den amtlichen Wolfsberater Norbert Schmelz aus Stemwede.

„Nach den gestrigen Sichtungen wäre es nicht überraschend, wenn ein Wolf das Schaf gerissen hat. Aber genau sagen kann ich es jetzt nicht”, so Schmelz. Für die amtliche Feststellung muss die Analyse der Proben im nordrhein-westfälischen Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz abgewartet werden, das für das Wolfsmonitoring in NRW zuständig ist.

Nachfolgend beschreibt Joachim Kuhn, wie es sich als Schäfer anfühlt, mit einer solchen Situation konfrontiert zu werden.

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Meine Meinung: Nachdenkliches zum Thema Wolf
von Joachim Kuhn

Nein, ich bin kein Trapper. Ich lebe nicht in Alaska oder Russland und habe dennoch plötzlich Wölfe vor der Tür, nein, zwischen meinen Schafen. Der Elektrozaun war in Betrieb, die Zäune vorher ohne Schäden –  trotzdem ist es jetzt passiert. Ein totes, trächtiges Schaf ein verschwundenes Lamm, ein eingegangenes Lamm, das wir nachts noch gerettet hatten und später an den Folgen verendet ist (und zwar nicht an Bissverletzungen, sondern am psychischen Stress). Die Tiere werde ich hoffentlich ersetzt bekommen, den Frust sicher nicht.

Sechs Personen und ein Wolfsberater haben ungefähr 40 (!!!) Arbeitsstunden damit zugebracht diesen Fall abzuarbeiten, die Schafe noch intensiver zu schützen vor einem zweiten Versuch. Bislang ist nichts weiteres passiert, ist das jetzt sicher?

Ich habe unbürokratisch und schnell Wolfsschutzzäune geliehen bekommen – so weit, so gut.

Gestern der Test: Drei Hütehunde testen Wolfszäune – Null Fehlerpunkte, alles sauber übersprungen, ohne zu üben. Die Hunde sind allesamt kleiner als ein Wolf, der älteste Hund fast zehn Jahre, trotzdem waren 1,10 Meter nebst Flatterbändern kein Hindernis! Und nun?

Es ist für alle NICHT direkt Betroffenen unheimlich spannend, der Rückkehr  des Wolfes zuzusehen. Für mein Wirtschaften ist es eine Bedrohung, nein: Eine Katastrophe.

Wo wäre meine  panisch geflüchtete Schafherde gelandet, wenn kein Hof zum Schutz suchen in der Nähe gewesen wäre? DANKE an Familie Huxoll für das spontane Nachtquartier im Rinderstall und die vorherige dreistündige Hilfe.

Wer kommt für Schäden auf, wenn bei Nacht ein Fahrer vor Schreck am Baum landet, weil Schafe auf der Straße stehen?

Wir sind ein dicht besiedeltes Land mit Straßen und Schienen, auf denen schnell gefahren wird. Als der Wolf vor 200 Jahren hier verdrängt (nicht  ausgerottet!) wurde, gab es nur Postkutschen, Reiter und Fußgänger.

Ist das alles heute nötig um die Verbreitung der Art wieder 1000 Kilometer weiter nach Westen zu verlegen?

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ihr auch Fernsehzuschauer seid. Stellt euch mal vor: Der Tatort spielt sich nicht mehr auf der Mattscheibe ab, sondern in eurem Wohnhaus. Kein Mord und Totschlag „nur“ ein durchschnittlicher Einbruch. Und ihr seid plötzlich mittendrin statt nur dabei. Auf diversen Social Media -Kanälen werdet ihr bepöbelt, „weil ihr angeblich die Häuser nicht richtig gesichert hättet, nur scharf auf das Geld der Versicherung wärt und warum verlasst ihr überhaupt euer Haus, wenn doch Diebe ihr Unwesen treiben könnten. Und warum habt ihr im Garten keine freilaufenden Rottweiler zum Schutz? Und schließlich müssen sich die Räuber und ihre Familien doch auch ernähren.“

Die Hausratsversicherer zahlen aber nur noch, wenn das Haus bei Dunkelheit komplett mit Gittern zugeschraubt wird, die morgens um das Haus zu verlassen wieder abgebaut werden müssten.

Ersetzt wird nur das Gestohlene. Die Aufräumarbeiten, die Sauerei im Haus, alle immateriellen Schäden und die psychischen Folgeprobleme müssen so hingenommen werden. Und wenn 90 Minuten Tatort vergangen sind, kommt keine Auflösung, nur Achselzucken, Ratlosigkeit, Artenschutz.

Artenschutz… Überfahrener, präparierter Wolf demnächst im Museum, nachdem er vorher in Berlin zur „forensischen“ Untersuchung im CT war: Geht`s noch?

Ich könnte noch Mantel, Stecken und Hut als museale Exponate beisteuern zur Erinnerung an einen uralten, demnächst aussterbenden Beruf: den Wanderschäfer.

Fotos: Krischi Meier (1), Kira Stremming (1)

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