Sonntag, 28. April 2024

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Aus dem Leben eines Landrates

Der Landrat des Kreises Minden-Lübbecke, Ali Dogan, berichtet in seiner Kolumen im Petershäger Anzeiger "Aus dem Leben eines Landrates".

Foto: Krischi Meier

Wir freuen uns sehr, Ihnen und Euch in dieser Ausgabe einen neuen Kolumnisten präsentieren zu können. Um so mehr, weil das in diesem Fall ein ganz Besonderer ist: Der Landrat des Kreises Minden-Lübbecke, Ali Dogan, höchstpersönlich! Dass die Redaktion des Petershäger Anzeigers gelegentlich zu unkonventionellen Ideen neigt, dürfte bekannt sein. Unsere Idee zu dieser neuen Kolumne war eigentlich etwas für die Rubrik „Wenig Chancen auf Realisierung“. Aber gefragt haben wir dann doch einfach mal. Entsprechend groß war unsere Freude über Ali Dogans promptes „Okay“. Und so heißt es in dieser Ausgabe zum ersten Mal: „Aus dem Leben eines Landrates“!

Von Ali Doğan

Beinahe jede Woche wohne ich Jubilarehrungen bei, sei es als Leiter der Kreispolizeibehörde wenn Polizeibeamte befördert werden, sei es bei uns in der Kreisverwaltung. Oft frage ich die Jubilare, ob sie sich – wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten – für denselben Beruf entschieden hätten. Erfreulicherweise sagen mir viele, dass sie sich heute genauso entscheiden würden. Dann frage ich mich: Gilt das auch für dich, würdest du nochmal in die Verwaltung gehen, Landrat werden wollen? Die Antwort fällt gar nicht so einfach aus: Auf der einen Seite bin ich sehr glücklich, dass ich an entscheidender Stelle mein Umfeld und die Gesellschaft mitgestalten darf. Andererseits ist man nicht nur als Einzelperson Landrat oder Bürgermeister. Es ist eine Entscheidung, die die ganze Familie umfasst. Meine Arbeitswochen sind selten kürzer als 80 Stunden, ebenso selten habe ich einen ganzen Tag in der Woche keine dienstlichen Termine. Oft starten die Tage morgens um 8 Uhr mit dem ersten Termin und enden um 22 oder 23 Uhr mit dem letzten. Wochenenden sind nie ohne Termine, zumal die allermeisten ehrenamtlichen Strukturen gerade dort zu Veranstaltungen einladen. Alle wollen den „neuen“ Landrat kennenlernen und manche denken bei Absagen, dass der Landrat das Thema nicht ausreichend wertschätzt. Tatsächlich könnte ich mich jeden Abend dreiteilen und müsste trotzdem dem vierten Anfragenden absagen, weil die Vielzahl der Termine kaum zu bewältigen ist – auch nicht trotz der wirklich sehr engagierten stellvertretenden Landräte und Landrätin, die mir viele Termine dankenswerterweise abnehmen. Als stolzer Papa von zwei kleinen Kindern möchte ich auf der anderen Seite nicht zu viel von den wichtigsten Jahren in der Erziehung verpassen. Lange Rede, kurzer Sinn: Wie viel Familienfreundlichkeit erträgt der Job eines Hauptverwaltungsbeamten eigentlich? Diese Frage stilisierte ein lokaler Journalist vor kurzem sogar zur Gewissensfrage hoch: Darf ein Landrat einer Veranstaltung fernbleiben, zu der er selbst eingeladen hatte und an der der Ministerpräsident teilnimmt? Im konkreten Fall kam unser Ministerpräsident Hendrik Wüst auf meine Einladung hin zu unserer Jubiläumsveranstaltung „50 Jahre Kreis Minden-Lübbecke“. Er konnte jedoch nur an einem Tag, und das war ausgerechnet der Tag, an dem mein Sohn eingeschult werden sollte. Ich musste also entscheiden. Alternative 1: Wir machen die Jubiläumsveranstaltung an einem Tag, an dem ich dabei sein kann, aber der Ministerpräsident eben nicht. Alternative 2: Wir machen die Veranstaltung an dem Tag, an dem der Ministerpräsident kann und ich verzichte auf die Einschulung unseres Sohnes. Alternative 3: Wir machen die Veranstaltung mit dem Ministerpräsidenten, aber ich gehe zur Einschulung. Ich habe mich sofort und ohne Zögern für die Alternative 3 entschieden (Ich wurde natürlich würdig vertreten und habe meine Wertschätzung mit einer Videobotschaft übermittelt). Wann hat ein Kreis schon den Ministerpräsidenten bei einer Jubiläumsveranstaltung zu Gast. Andererseits: Die Einschulung des eigenen Sohnes erleben Eltern nur zwei Mal (in der Grundschule und in der weiterführenden Schule). Ich würde mich jeden Tag wieder so entscheiden und das enorm positive Feedback aus der Belegschaft und Bevölkerung gibt mir Recht. Vielleicht kennen viele von ihnen den gleichen Zwiespalt zwischen Familie und Beruf. Ich möchte zeigen: Auch der Job eines Landrats ist familienfreundlich, wenn man die Prioritäten richtig setzt.

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