Lahde. Nicht nur das Thema Hochwasser sorgt bei der von der Firma Ahrens geplanten Ansiedlung einer Gleisschotteraufbereitungsanlage an der Lahder Dingbreite für Verwicklungen, wie in den letzten beiden Ausgaben des Petershäger Anzeigers beschrieben. Auch die Grundwassersituation auf dem Ahrens-Grundstück spielt bei der Genehmigung eine gewichtige Rolle und hat jetzt für erste Konsequenzen gesorgt. Wegen der Nichteinhaltung gesetzlicher Vorschriften muss das eingebrachte Recyclingmaterial in einem Teilbereich wieder ausgebaut werden. Doch gehen wir chronologisch vor.
In der von der Bezirksregierung Detmold am 19. Juli 2016 erteilten Genehmigung des vorgezogenen Baubeginns erhielt die Firma Ahrens die Auflage: „Sofern für den Unterbau der befestigten Flächen RC-Material (Anmerkung: RC steht für Recycling) eingesetzt werden soll, ist ggf. eine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich.” Der Hintergrund ist, dass eine mögliche Auswaschung von Recyclingbaustoffen nicht zu einer Verunreinigung des Grundwassers führen darf.
Wasserrechtliche Erlaubnis
Der entsprechende Antrag wurde vom Unternehmen auch an die Bezirksregierung gestellt, allerdings erst am 23. August 2016. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Firma Ahrens schon erhebliche Mengen Recyclingmaterial auf das Gelände verbracht und teilweise auf dem freigelegten Untergrund aus Kies und Sand eingebaut, was somit ohne Genehmigung durchgeführt worden war. Laut Dokumentation eines mit der Prüfung beauftragten Büros erfolgte die Anlieferung des Materials , das als Unterbau vorgesehen war, im Zeitraum zwischen dem 20. Juli und dem 8. September 2016. Erst danach, mit Datum vom 20. September 2016, damit vier Wochen nach Eingang des Antrages, erteilte die Bezirksregierung dann die wasserrechtliche Genehmigung zum „Einbau von Recycling-Material als Frostschutztragschicht“. Darin wurde verfügt: „Es ist ein Mindestabstand von der Auffüllungsbasis zum höchsten zu erwartenden Grundwasserstand von mindestens 0,10 m einzuhalten, so dass das eingebaute Material dauerhaft keinen Kontakt zum Grundwasser hat.“ In dem Zusammenhang bekam nun die Grundwassermessstelle ILSE P5, die sich nur ca. 150 Meter nördöstlich des Ahrens-Geländes befindet (Bild oben), einen besonderen Stellenwert. Die Messstelle wird von den Stadtwerken betrieben und liefert seit vielen Jahren mit einer monatlichen Messung Daten über den örtlichen Grundwasserstand. Daten aus dieser Messstelle haben die Bezirksregierung zu einer Reihe von Aktivitäten veranlasst, allerdings mit Verspätung.
Bekannt war die Messstelle der Behörde spätestens seit dem Antrag der Firma Ahrens auf die wasserrechtliche Genehmigung. Denn darin führt das von Ahrens beauftragte Planungsbüro aus: „Die etwa 200m entfernte Grundwassermessstelle weist für den Zeitraum Nov. 1974 bis Apr. 2016 im Mittel einen GW-Flurabstand von 5,8m auf. Somit ist trotz des Abbaus des Oberbodens mit einer Mächtigkeit von 1m ein Grundwasserflurabstand GW > 1m vorhanden.“ Bei dieser Formulierung handelt es sich im besten Fall um eine wenig sachdienliche Darstellung, die unter anderem die unterschiedlichen Höhenlagen der Messstelle und der Ahrens-Fläche verschweigt und von Mittelwerten redet, während es in der Sache um Höchstwerte geht. Bei genauer fachlicher Betrachtung wird der Stellenwert der Daten sehr schnell klar. Einen Blick auf die Daten der Messstelle kann übrigens jedermann werfen, denn diese sind im Internet online offen abrufbar.
Wieder waren vehemente Prosteste seitens der Bürgerinitiative nötig, um die Bedeutung der Messdaten verantwortlichen Mitarbeitern in der Bezirksregierung vor Augen zu führen. Im Unterschied zum Thema Hochwasser wurden die Bedenken in der Grundwasserabteilung der Bezirksregierung aber offensichtlich ernster genommen und – wenn auch mit Verspätung – eine genauere Prüfung eingeleitet. So wurde die Beauftragung eines geologischen Fachbüros seitens der Firma Ahrens zwecks Erkundung und Bewertung der hydrogeologischen Verhältnisse im fraglichen Bereich veranlasst. In dem Zusammenhang wurden 2017 vier Untersuchungsbrunnen auf dem Ahrensgelände eingerichtet (Bild unten). Nach Auswertung der Daten kam das Büro Ende 2017 zu dem Schluss, dass die eingebrachten RC-Materialien in Teilbereichen der Ahrens-Fläche unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes liegen und daher dort wieder ausgebaut werden müssen. Neu auch der Umgang mit der Stadt: in der letzten Sitzung des Stadtrates stellte der zuständige Mitarbeiter der Bezirksregierung die bisherigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen den Ratsmitgliedern vor. Jetzt ist die Stadt gefragt, wie mit der dargestellten Situation umgegangen werden soll.
Luftaufnahme des Ahrens-Geländes vom 20.8.2018, Blick Richtung Süden. Im Mittelpunkt der Kreise liegen die vier 2017 errichteten Kontrollbrunnen. Das Foto links zeigt den Brunnen in der Nordostecke. Die gepunktete Linie umrahmt grob den Bereich, in dem das eingebrachte Recyclingmaterial nach gutachtertichen Angaben bezogen auf den „Maximalen Grundwasserstand” zu tief liegt und zur Gefahrenabwehr wieder ausgebaut werden muss. Foto vom 20.8.2018.
Der Petershäger Anzeiger hat die für das Stadtgebiet zuständigen heimischen Abgeordneten aus Bund und Land um eine Kommentierung zu den Rechercheergebnissen zum Thema Überschwemmungsgebiet gebeten, die in den vergangenen beiden Ausgaben dargestellt worden sind. Hier die Stellungnahmen von Bianca Winkelmann (MDL, CDU), Achim Post (MDB, SPD) und Frank Schäffler (MDB, FDP).
„Die Frage, ob das Gelände der Firma Ahrens im Überschwemmungsgebiet liegt oder nicht, ist ein weiteres Kapitel in der Geschichte um die Ansiedlung der Firma. Ich stehe in regelmäßigem Kontakt mit der Bürgerinitiative, die ich im Rahmen meiner Möglichkeiten natürlich unterstütze. In der jetzigen Situation ist es aus meiner Sicht dringend erforderlich, dass alle Beteiligten an einen Tisch kommen, um offene Fragen auf der Grundlage von Fakten zu klären. Die Bürger in Petershagen verdienen Transparenz in diesem brisanten Verfahren.“
Bianca Winkelmann
„Ich teile die Meinung vieler Bürgerinnen und Bürger und der Stadt Petershagen, dass eine solche Anlage grundsätzlich nicht nach Lahde gehört. Das Anliegen der Bürgerinitiative halte ich daher für gerechtfertigt. Im Interesse der Sache sollte sich ein Mitglied des Deutschen Bundestages aber nicht in ein laufendes Genehmigungsverfahren einer Behörde einmischen – auch um die Rechtssicherheit des Anliegens nicht zu gefährden. Ich setze darauf, dass die betroffenen Behörden ein transparentes, offenes und nachvollziehbar gestaltetes Verfahren durchführen. Gleichzeitig erwarte ich von der Firma Ahrens einen ehrlichen Umgang mit ihren Plänen gegenüber den Anwohnern und der Stadt Petershagen.“
Achim Post
„Es gilt: Sorgfalt vor Schnelligkeit. Sowohl die Bezirksregierung als auch die Firma Ahrens müssen die Bedenken und Kritik der Menschen ernst nehmen und sich an Recht und Gesetz halten. Wichtig ist, dass die Beteiligten über die aktuellen Entwicklungen und Planungen in einem von Transparenz und gegenseitigem Respekt geprägten Dialog informieren.“
Frank Schäffer
Kommentar von Dr. Dietmar Meier
Würde man die Geschehnisse rund um die geplante Gleisschotteraufbereitungsanlage als Spiel betrachten, wäre es ein Spiel, das unter den Mitwirkenden derzeit nur Verlierer kennt.
Da wäre als erstes die Firma Ahrens selbst, die mit den Baumaßnahmen im Sommer 2016 loslegte wie die Feuerwehr, dabei weder rechts noch links schaute und es mit den Genehmigungen nicht ganz so genau nahm. Ergebnis: neben dem Scherbenhaufen einer Investition steht ein massiver Imageverlust, der in Zeiten von google nicht so einfach wieder aus der Welt zu räumen sein dürfte.
Dazu gesellt sich eine Bezirksregierung, die mit ihrer ebenfalls in höchstem Tempo getroffenen Entscheidung zum vorzeitigen Baubeginn eine Kettenreaktion ausgelöst hat. Als engagierte Bürger in der Folge immer mehr Ungereimtheiten ans Tageslicht beförderten und Antworten auf unbeliebte Fragen einforderten, kamen Dinge zum Einsatz, die in einer ordentlichen Verwaltung nicht das Mindeste zu suchen haben — Nebelkerzen nämlich. Worauf sich vor Ort im Rechtsempfinden vieler Bürger zunehmend das Gefühl einstellte, das Verwaltungshandeln sei in diesem Fall allein auf das Wohl eines Unternehmens ausgerichtet. Ergebnis: ein erheblicher Vertrauensverlust in staatliches Handeln.
Dritter im Bunde ist Petershagens Bürgermeister, der das Vorhaben in den Anfängen locker durch seine Bauverwaltung gewunken hat, ohne dabei die Kommunalpolitik einzubinden. Dass seine im Rahmen der Bürgerversammlungen erfolgte Kehrtwende in der Firma Ahrens nicht gut angekommen ist, kann man aus Firmensicht nachvollziehen. Ergebnis: Statt einer durch den Stadtrat bekundeten Ablehnung des Ahrens-Vorhabens liegt bei der Bezirksregierung nun ein Papier, in dem die Stadt (Verwaltung) ihr Einvernehmen erklärt hat.
In die Reihe fügt sich als Nummer vier auch die Stadt Petershagen selbst. Denn die angesichts der AhrensP-lanung vom Stadtrat auf den Weg gebrachte Veränderungssperre im Noch-Gewerbe-und-Industrie-Gebiet hat auch bei etablierten Unternehmen für einigen Unmut gesorgt.
Als Weg aus dem Dilemna emfehlen die heimischen Abgeordneten Reset-Taste drücken und auf Anfang stellen. Voraussetzung dafür wäre allein die Bereitschaft der Bezirksregierung zur Offenheit, auch an Stellen, an denen bislang etwas nicht sachgerecht gelaufen ist. Der Vortrag in der letzten Ratssitzung von HansJoachim Dechant, in Grundwasserfragen zuständiger Mitarbeiter der Bezirksregierung, über das teilweise zu tief eingebrachte Recyclingmaterial hat die Richtung gezeigt.
Text und Fotos: Dietmar Meier