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Bürokratie lähmt Landwirtschaft: Landwirt Heiner Müller fordert mehr Vertrauen von der Politik

Wir haben uns Landwirt Heiner Müller aus Gorspen-Vahlsen zum Interview getroffen und über fehlendes Vertrauen, zu viel Bürokratie und Perspektiven für junge Landwirte gesprochen.
Landwirt Heiner Müller aus Gorspen-Vahlsen. Foto: Jessica Höffner
Landwirt Heiner Müller aus Gorspen-Vahlsen. Foto: Jessica Höffner

Von Jessica Höffner

Gorspen-Vahlsen. Heiner Müller ist Landwirt mit Leib und Seele. Über sich selbst sagt er aber auch: „Ich bin ein Freigeist, schwer einzufangen, und jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt.“ Wir haben uns mit dem Ackerbauer aus Gorspen-Vahlsen zum Interview getroffen und über fehlendes Vertrauen, zu viel Bürokratie und Perspektiven für junge Landwirte gesprochen.

Wie erleben Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation in der Landwirtschaft?
Heiner Müller: Ein Landwirt muss auch immer ein Kaufmann sein. Wenn ich das nicht bin, werde ich nie schwarze Zahlen schreiben können. Ein Beispiel: Ohne Gas kein Dünger. Ist das Gas teuer, ist es der Dünger auch. Deshalb muss man vorausschauend kaufmännisch arbeiten. Ein Grund, warum ich den Dünger für das kommende Jahr schon jetzt gekauft habe. Wobei es natürlich Dinge gibt, die so nicht vorhersehbar sind – der Ukraine-Krieg oder der Handelskrieg mit Amerika zum Beispiel. Mit Blick auf den Ackerbau leidet der natürlich unter den allgemein gestiegenen Preisen. Wie zum Beispiel die teurer gewordenen betrieblichen Stoffe – wie Pflanzenschutzmittel oder Treibstoffe.

Viele Landwirte klagen über zu viel Bürokratie. Wie erleben Sie das?
Heiner Müller: Ähnlich. Beispielsweise müssen wir ab der ersten Aussaat dokumentieren. Welche Sorte habe ich wo angebaut? Das muss ich der Saatguttreuhand übermitteln. Zudem müssen wir den weiteren Anbau auf den Flächen dokumentieren und darauf hinweisen, wo wir zum Beispiel wann welches Pflanzenschutzmittel aufgebracht haben und wer es aufgebracht hat. Kommen wird, dass das alles digital abläuft. Die EU-weite Regelung wurde allerdings vorerst verschoben, da es Bereiche gibt, in denen der Netzausbau noch gar nicht so weit ist, als dass wir das leisten können. Die Bürokratie an sich ist ein sehr komplexes Thema, über das man lange sprechen kann. Schon jetzt bin ich beispielsweise damit beschäftigt, eine Düngevorplanung zu machen. Noch bevor ich überhaupt auf dem Acker tätig bin. Bodenproben gehören ebenfalls dazu, um zu sehen, wo ich was in welcher Menge aufbringen darf.

Welche Vorschriften oder Auflagen empfinden Sie als besonders belastend?
Heiner Müller: Das, was ich geschildert habe. All diese Vorschriften machen uns Landwirten das Leben schwer. Früher mussten wir die Dokumentation über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Düngung nicht in diesem biokratischen Ausmaß vornehmen. Heute wird uns Landwirten vorgeworfen, dass wir ja alles falsch machen. Dabei werden die landwirtschaftlich zu beschwirtschafteten Flächen schon jetzt alle vier Tage von KI über Satellit überprüft.

Wird den Landwirten denn überhaupt zugehört, wenn es um politische Entscheidungen geht?
Heiner Müller: Viele Entscheidungen werden getroffen, ohne dass die Leute, die sie entscheiden, wissen, was in der Praxis auf dem Acker und auf den Betrieben los ist. Auch gibt es heute noch etliche Vorgaben, die wir längst nicht mehr bräuchten. Soll heißen: Alte Verordnungen müssen auf den Prüfstand. Das Grundproblem ist, dass viele Dinge im Verwaltungsapparat entschieden werden, ohne zu wissen, wie es im wahren Arbeitsleben der Landwirte läuft.

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Was müsste sich denn in Ihren Augen ändern?
Heiner Müller: Es muss viel mehr Vertrauen in die Landwirtschaft geben. Und man sollte uns Landwirte machen lassen, was wir können: nämlich die Menschen zu ernähren, anstatt nur Papiere auszufüllen. Mit Blick auf die Landwirte gibt es ein permanentes Misstrauen und die Überzeugung, wir würden die Welt vergiften. Natürlich gibt es schwarze Schafe – die gibt es schließlich überall. Aber dennoch bleibt die Landwirtschaft ein wichtiger Teil. Es fehlt am Miteinander – zwischen Behörden und den Landwirten.

Die Höfe werden insgesamt weniger. Gibt es für junge Landwirte denn überhaupt noch Perspektiven?
Heiner Müller: Die Höfe werden weniger, ja. Aber natürlich ist die Landwirtschaft nicht perspektivlos. Aber Landwirtschaft bedeutet auch Wandel und Anpassung. Anbaumethoden ändern sich, die Früchte, die wir anbauen, sind heute andere – deutlich weniger anfällig, zum Beispiel mit Blick auf Schädlinge. Zudem müssen wir Landwirte auch immer einen Blick auf das sich ändernde Klima haben.

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik hätten: Welcher wäre das?
Heiner Müller: Ich würde mir wünschen, dass die Politik einmal auf die Höfe geht. Dass man uns mehr Vertrauen schenkt. Wir Landwirte sind hier in Deutschland sehr gut ausgebildet, wir wissen, was wir tun. Die Politik muss uns mehr Handlungsfähigkeit geben und die Bürokratie zurückschrauben. Dann können wir gut arbeiten. Nicht vergessen werden sollte auch, dass wir Landwirte die Anbaurisiken tragen – sei es Dürre, Hitze, Hochwasser oder Schädlinge.

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