Lahde (pa). Sind Ihnen die neuen Straßen schon aufgefallen, dort an der Bahnhofstraße und an der Dingbreite? Straßennamen sagen oftmals viel über die unmittelbare Heimatgeschichte aus. In den meisten Fällen leiten sich die heutigen Straßennamen von den damaligen Flurnamen ab. Namen wie Bultweg, Högenweg, Wolfskuhle, oder auch Dingbreite sind eindrucksvolle Zeitzeugen einer längst vergangenen Zeit. Oftmals ist dabei auch die einstige Bedeutung der Namen in Vergessenheit geraten. Wie kam es zu dem Namen Dingbreite, oder was hat es mit der Wolfskuhle auf sich? Wäre es nicht ein gute Gelegenheit, bei den neuen Straßennamen mal etwas genauer hinzuschauen? An der Bahnhofstraße gegenüber dem Friedhof, fanden Sie bis vor wenigen Wochen ein Straßenschild mit dem Namen „Löwekengarten“. Eine kleine Sackgasse, die an der Rückseite des Freibads endet. Was will uns nun dieser doch recht sperrige Straßenname sagen? Auch hier lohnt sich ein Blick auf die alten Flurkarten. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Bahnhofstraße nur ein kleiner und unscheinbarer Feldweg in Richtung Bierde und Quetzen. Der Ort Lahde bestand damals nur aus wenigen Hofstätten im Bereich der evangelischen Lahder Kirche, sowie vom Lahder Krug bis in die Fährstraße hinein. Spätestens ab dem Lieblichen Tal endete die Bebauung in nördlicher und östlicher Richtung. Hier schloss sich in den Jahrhunderten zuvor eine freie und lange Zeit, unbewirtschaftete Fläche an. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurden dann auch diese Flächen landwirtschaftlich erschlossen. Weiter im Norden fiel das Gelände wieder ab und es folgten die tiefergelegenen und zum Teil sumpfigen Ausläufer der Wolfskuhle. Wie der Name schon vermuten lässt, wird den Menschen damals die Wolfskuhle recht unheimlich gewesen sein. So berichten die alten Lahder Sagen auch vom Böxenwulf, der hier sein Unwesen getrieben haben soll. Auf dem feuchten Untergrund hatte sich ein dichter Tannenwald ausgebreitet, der einst bis zum Schaumburger Wald reichte. Aber kommen wir zum Löwekengarten zurück. Auf einigen Karten findet sich auch der Schriftzug „Lövekengarten“. Östlich des Lieblichen Tals lag eine weitläufige unbebaute Fläche mit Grasbewuchs, vereinzelten Bäumen und Buschwerk. Der einstige Baumbestand war längst als Bau- oder Brennholz verbraucht.
So war es ein idealer Platz für die Feldlerchen. Dieser kleine Vogel lebt und nistet bevorzugt im offenen Gelände. Bekannt ist er durch seine langanhaltenden, trillernden Gesangseinlagen. So wird es hier auf der Geest an lauen Sommerabenden oftmals ein liebliches und klangvolles Konzert gegeben haben. Diese erfreulichen Erlebnisse werden unsere Vorfahren dazu motiviert haben, den Teil östlich des Lieblichen Tals als Löwekengarten, oder auch Löwekenbreite zu bezeichnen. Denn im Plattdeutschen sprachen unsere Vorfahren liebevoll vom Löweken, wenn von der lautstark trillernde Lerche die Rede war. Hoffen wir, dass die Lerchen nach dem Ende der Bauarbeiten in ihren Garten zurückkehren. Eine andere Art des Geschichtsbezugs bei Straßennamen ist die Ehrung herausragender Persönlichkeiten wie beispielsweise die Walter-Gieseking-Straße, die Pastor-Albert-Clos-Straße oder auch der Bismarckplatz. Diese Reihe der „personifizierten“ Straßennamen wird in Lahde nun mit dem Heinrich-Wiegmann-Weg erweitert. Zu finden ist er neben dem kürzlich errichteten „Stift Lahde“ als Sackgasse in das neu erschlossenen Baugebiet östlich der Nienburger Straße. Da hier noch intensive Baumaßnahmen laufen, fehlt bislang noch das entsprechende Straßenschild. Die jüngeren Leser fragen sich nun bestimmt, wer Heinrich Wiegmann war. Eine heimische Tageszeitung nannte ihn 2016 anerkennend, „ein politisches Urgestein“. Von 1966 bis 1972 war er Bürgermeister der damaligen Gemeinde Lahde. Nach der Gebietsreform wurde er bis 1999 zum Ortsvorsteher gewählt und zwischen 1984 und 1994 auch zum ersten stellvertretenden Bürgermeister von Petershagen. In seiner Schaffenszeit als Ratsmitglied setzte sich Heinrich Wiegmann immer wieder für die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung unserer Heimat ein. Hierzu zählt unter anderem die Errichtung des Schul- und Sportzentrums, der Bau des Freibads, sowie die Ausgestattung des Rettungswesens. Seine Verdienste fanden bis weit über die Petershäger Grenzen hinaus Anerkennung. So wurde ihm 1980 der Verdienstorden und 2000 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Weggefährten und Freunde bescheinigten ihm ein ausgleichendes Wesen und die Fähigkeit, eine für alle verständliche und praktikable Kommunalpolitik betrieben zu haben. Damit steht wohl Außerfrage, dass sich Heinrich Wiegmann einen ehrenden Platz unter den personenbezogenen Straßennamen in unserer Heimat verdient hat. Übrigens: Das Straßenschild mit dem Namen Löwekengarten hat wohl einen Zeitgenossen so inspiriert, dass er es gleich abmontiert und mitgenommen hat. Schade, hoffen wir, dass die Lerchen dennoch den Weg in ihren Garten finden. Bei aller Ironie sei jedoch angemerkt, dass diese Handlung nicht mehr in die Kategorie „Kavaliersdelikt“ fällt. Nun wird es wohl noch einige Zeit dauern bis der Weg wieder ordnungsgemäß ausgeschildert wird.