Freitag, 29. März 2024

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Ein Blick zurück: Weserfähre Petershagen

Blättert man in historischen Archiven, reicht die Erwähnung einer Weserfähre in Petershagen mindestens bis ins Jahr 1582 zurück.
Auf der Fähre auch im Bild: Der Lloyd 600, unser damaliges Familienauto. Foto: Rolf Credo

Petershagen. Wenn Fahrradfahrer oder Fußgänger heutzutage die Weser zwischen Windheim und Hävern auf der Solarfähre überqueren, fällt das bei vielen sicher in die Rubrik besondere Erlebnisse. Wer vor dem Bau der Weserbrücke von Petershagen nach Lahde oder umgekehrt wollte, für den war die Fahrt mit der Weserfähre hingegen eine alltägliche Angelegenheit. Auch der Autor dieses Beitrags kennt noch aus eigenem Erleben, dass man immer einige Minuten Verzögerung einplanen musste, falls die Fähre bei Ankunft an der Fährstelle gerade abgelegt hatte und auf dem Weg zur gegenüberliegenden Weserseite war.

Blättert man in historischen Archiven, reicht die Erwähnung einer Weserfähre in Petershagen mindestens bis ins Jahr 1582 zurück. Die Ortsheimatpflege Petershagen hat dazu kürzlich eine interessante Übersicht online gestellt (www.ortsheimatpflege-petershagen.de).

Die jüngere Geschichte der Fähre beginnt mit der behördlichen Genehmigung für die damals neu errichtete Hochseil-Anlage am 18. Juni 1925. Die bis dahin betriebene Niedrigseil-Anlage erwies sich wegen der wachsenden Zahl von Binnenschiffen auf der Weser als nicht mehr zeitgemäß, da das Seil immer abgesenkt werden musste, wenn ein Schiff passieren wollte – verbunden mit erheblichen Wartezeiten für Nutzer der Fähre.

Abgesehen davon, dass der Fährbetrieb nachts generell ruhte, gab es Einschränkungen bei Hochwasser und wenn die Weser vereiste – heute kaum noch vorstellbar. Das war in den 1940er und 1950er Jahren noch gang und gäbe, wie sich Fritz Meier und Frauke Meinhardt, Tochter des letzten Fährmannes, noch erinnern. Zeitweilig schoben sich Eisschollen damals sogar so in- und übereinander, dass die Weser zu Fuß auf dem Eis überquert werden konnte (Foto unten rechts). Diese Zeit endete mit der Inbetriebnahme des ersten Blockes des Kraftwerks Heyden. Ab dann sorgte das erwärmte, nördlich des Stauwehrs in die Weser geleitete Kühlwasser dafür, dass massive Vereisungen wie auf dem Foto unten von 1922 nicht mehr stattfanden. Mit der Errichtung der Staustufe und des Schleusenkanals endete dann auch die Weserschifffahrt in Höhe der Fährstelle.

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Die Ortsheimatpflege Petershagen hat angeregt, den noch erhaltenen Fährmast mit der Hochwasser-Stiege unter Denkmalschutz zu stellen.

Bei ansteigendem Hochwasser kam irgendwann der Zeitpunkt, an dem die Fähre außer Betrieb ging, weil Fahrzeuge die Fährstelle wegen Überflutung der Fährstraße nicht mehr erreichen konnten. Solange Personen noch trockenen Fußes über einen Betonsteg zur Fährstelle gelangen konnten, erfolgte die Überfahrt noch mit einem Personenboot, das heute an der Fährstelle liegend an die damalige Zeit erinnert. Stieg die Weser weiter an, blieb nichts anderes übrig, als über Minden oder Schlüsselburg zu fahren, um zur anderen Weserseite zu gelangen. Nur für die Arbeiter im Kraftwerk Heyden gab es dann die Ausnahmemöglichkeit, die Weser via Stauwehr zu überqueren.

In der Ortschaft Petershagen hatte die Fähre stets auch einen besonderen Status, der über die Funktion eines reinen Beförderungsmittels hinaus ging. Am besten zeigte sich das bei den Festen der Bürgerschützengesellschaft Petershagen, bei denen das Übersetzen zur festen Tradition gehörte.

Der König der Bürgerschützengesellschaft 1964 mit Gefolge auf der Fähre.

Und dann ging es in den 1960er Jahren nach langer Diskussion an Planung und Bau der Weserbrücke. Ein halbes Jahr vor deren Inbebetriebnahme noch ein trauriger Tag: Am 18. März 1970 ereignete sich ein schweres Fährunglück, bei dem die Fähre unvermittelt in der Hochwasser führenden Weser kenterte und ein Mensch ertrank. Am 9. November 1970, am Tag nach der feierlichen Einweihung der Weserbrücke wurde der Fährbetrieb zwischen Petershagen und Lahde endgültig eingestellt.

Der Petershäger Anzeiger bedankt sich bei Frauke Meinhardt, Klaus Hestermann und dem Restaurant „Alter Bahnhof“ für die Bereitstellung von Archivaufnahmen.

Der letzte Petershäger Fährmann, Georg „Schorse“ Gieseking (links) auf seiner Fähre. Im Hintergrund die fast fertige Weserbrücke.

Text: Dietmar Meier, Fotos: privat (4), Dietmar Meier (1)

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