Donnerstag, 25. April 2024

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„Ein Kraut wird zum Problem“

Petershagen. Wer in den Sommerwochen auf der B61 zwischen Ovenstädt und Eldagsen unterwegs war, wird auf längeren Strecken am Straßenrand möglicherweise einen auffallenden Streifen gelb blühender Pflanzen bemerkt haben, der optisch ein attraktives Bild bot. Doch ein Großteil der Pflanzen in diesem Streifen hat es in sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Rede ist vom Jakobskreuzkraut, dessen Ausbreitung in den vergangenen Jahren auch bei uns erheblich vorangeschritten ist und insbesondere den Landwirten heftige Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

Jakobskreuzkraut ist eine alte heimische Wildpflanze und deswegen auch nicht grundsätzlich unerwünscht. Das Problem liegt in hrer Giftigkeit, die auf dem Gehalt an sogenannten Pyrrolizidin-Alkaloiden  beruht. Diese Stoffe führen zu akuten oder chronischen Vergiftungen und verursachen Leberschäden. Gravierend dabei: diese Stoffe werden nicht ausgeschieden, sondern reichern sich im Körper an. Deshalb führt auch die wiederholte Aufnahme von kleinen Mengen bei Überschreitung der noch verträglichen Menge zu einer tödlich verlaufenden Vergiftung, da es keine Heilungsmöglichkeiten gibt.

„Die Pflanze dient einer Vielzahl von Insekten als Pollenspender oder Futterpflanze und ist in deren Lebensraum ein Strukturelement. Eine Ausbreitung ist dennoch nur auf Flächen, die nicht die landwirtschaftliche Nutzung tangieren und nicht der Honiggewinnung dienen, vertretbar. Sicherheitsstreifen von mindestens 50 m zu Weiden, Mähweiden und Wiesen sowie Feldgrasflächen sind einzuhalten. In der Nachbarschaft zu Imkereien sind erheblich größere Abstände (1-2 km) nötig.“

Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW und Landwirtschaftskammer NRW, Stand August 2020

Problematisch ist das Kraut primär für Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen, die auf Grünlandflächen gehalten beziehungsweise mit Heu gefüttert werden. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) und die Landwirtschaftskammer NRW haben zusammen eine ausführliche Broschüre herausgegeben, die die verschiedenen Facetten des Themas beschreibt. Demnach sind Zielkonflikte zwischen verschiedenen Ansprüchen an das Grünland (etwa bei extensiv genutzten Weiden und Stillegungsflächen) und sich daraus ergebende Fehler sowie Mängel in der Bewirtschaftung des Grünlandes ein Grund für die zunehmende Ausbreitung. Zum anderen trägt die kaum gebremste Entwicklung an Straßenrändern, Böschungen und Bahndämmen, auf Brachen oder auch Bauerwartungsland kräftig zur aktuellen Dynamik bei. 

Die Blütezeit des Krautes reicht von Juni bis Oktober, mit der Hauptblütezeit um den 25. Juli. Eine Pflanze kann bereits über 100000 flugfähige Samen bilden. Die Hauptverbreitung erfolgt mit dem Wind. Um keimen zu können, benötigen die Samen offenen Boden, was auch das verstärkte Auflaufen in schlecht gepflegtem Grünland erklärt. Im Boden bleiben die Samen bis zu 25 Jahre keimfähig – der Grund für die Schwierigkeit, die Pflanze aus problematischen Bereichen, in denen sie sich angesiedelt hat, dauerhaft zu entfernen. Ausgehend von einer Pfahlwurzel erstrecken sich im Boden  zahlreiche Faserwurzeln in einem Umkreis von 30 cm. Wird die Pflanze nicht vollständig ausgerissen wird, können sich schon aus kleinen verbliebenen Wurzelstücken wieder neue Pflanzen entwickeln.

Ein besonders hohes Risiko besteht bei der Fütterung von Heu, das getrocknetes Jakobskreuzkraut enthält. Die Pflanze enthält Bitterstoffe, die den Verbiss auf der Weide noch weitgehend verhindern. Bei der Trocknung bauen sich die Bitterstoffe jedoch ab, während die Giftstoffe weitgehend erhalten bleiben.

Was Straßenrandbereiche anbelangt, existieren beim Landesbetrieb Straßenbau NRW betriebsinterne Anweisungen. Doch in der Praxis stößt die Umsetzung offensichtlich vielfach an Grenzen, wie auf Nachfrage bei Straßen.NRW deutlich wurde. Angesichts des Verbotes, Herbizide einzusetzen, soll entlang der Bundesstraßen zweimal im Jahr gemäht werden, idealerweise nach dem 15. Juni bei beginnender Vollblüte (sodass die Pflanzen nicht zur Samenreife gelangen) sowie nach dem 15. September. Doch in der Praxis reichen die personellen und maschinentechnischen Kapazitäten bei den Straßenmeistereien angesichts der Größe unseres Straßennetzes dafür oft genug nicht aus.

Ein sensibler Punkt, der auch Menschen unmittelbar betrifft, ist das Thema Honig. Für die Bienen selbst stellen die Giftstoffe kein Problem dar. Doch könnten diese über Pollen in den Honig gelangen. Hier sind insbesondere die Imker gefragt, schon was die Standortwahl anbelangt (genügender Abstand zu Problembereichen, Nutzung anderer Trachtangebote). Dazu sollte der Honig rechtzeitig vor der Hauptblütezeit des Jakobskreuzkrautes geschleudert werden. Und vom Imkerverein Petershagen erhielten wir auch noch eine Information über jüngste Untersuchungsergebnisse, wonach sich die betreffenden Giftstoffe im Honig in relativ kurzer Zeit zersetzen und sich eventuelle Belastungen schon nach wenigen Wochen Lagerung erheblich reduzieren.

Um mit einem kleinen optimistischen Ausblick zu schließen: die Natur kümmert sich auch selbst um das Thema. Der Blutbär, ein farbenprächtiger Schmetterling, ist der natürliche Feind des Jakobskreuzkrautes. Seine Raupen ernähren sich ausschließlich davon und dezimieren es auf natürliche Weise  (Fotos aufgenommen nicht allzu weit entfernt in Seggebruch). Ein Landwirt aus Schleswig-Holstein hat sich das zu Nutze gemacht und mittlerweile schon rund 300 Millionen Raupen gezüchtet.


Text: Dietmar Meier, Fotos: Dietmar Meier (1), Thomas Knickmeier (2)

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