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Eine Gemeinde, die auf sich aufpasst

Petershagen. Prominenter an Überdosis Kokain gestorben, Vergewaltigung nach Verabreichung von K.o.-Tropfen, Marihuana-Pflanzen im Feld gefunden, unter Cannabis-Konsum Verkehrsunfall verursacht – täglich finden sich Schlagzeilen rund um das Thema Drogen. Nicht hingegen in Petershagen. In der 29 Ortsteile umfassenden Stadt im Mühlenkreis gibt es nach Angabe von Schulen und Polizei kein Problem mit Drogen.

Schaut man sich die aktuelle Kriminalstatistik der Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke an, fällt ins Auge: 2017 waren lediglich 18 Fälle von Rauschgiftdelikten in allen Ortsteilen Petershagens zu verzeichnen. Gegenüber zwei Jahren zuvor ein Anstieg um das Doppelte, im Vergleich zur Stadt Minden (2017: 276) hingegen über das Fünffache weniger Delikte, die durch polizeiliche Kontrollmaßnahmen oder Ermittlungen im letzten Jahr festgestellt wurden. Setzt man die Fallzahlen in Relation zu den Einwohnerzahlen aller elf Städte des Kreises, hat Petershagen faktisch die niedrigste Häufigkeitszahl (durchschnittlich 71 von 100.000 Einwohnern) aufzuweisen. Eine Quote, wie sie in der heutigen Zeit von insbesondere zunehmendem Cannabis-Konsum unter Jugendlichen und Heranwachsenden (laut Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung) nur wünschenswert sein kann. Thomas Bensch, Polizeihauptkommissar und Pressesprecher der Polizei Minden-Lübbecke, kann das nur bestätigen. Nach einer Besprechung mit drei seiner Kollegen sei es amtlich: „Aus polizeilicher Sicht gibt es glücklicherweise auf diesem Gebiet keinen Schwerpunkt in Petershagen. Die Bevölkerung kann sich darüber nur freuen.“

Auch Henning Schmalz, Rechtsanwalt in Minden, der seit einiger Zeit beruflich mit Jugendstrafsachen zu tun hat und ehrenamtlich auf diversen Zeltfesten für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) unterwegs war, erklärt in einem Telefoninterview: „In Petershagen sind mir in den letzten Jahren keine Auffälligkeiten bekannt.“ Dennoch räumt der Jurist ein: „Gerade Cannabis ist nichts Ungewöhnliches mehr. Gefühlt wird Cannabis deutlich mehr als früher konsumiert. Kiffen bei Jugendlichen ist deutlich verbreiteter als in meiner Jugendzeit. Früher gab es Cannabis nicht an jeder Straßenecke. Wenn ich mit meinem Hund im Mindener Glacis spazieren gehe, rieche ich das schon von Weitem. Bei jeder zweiten, dritten Polizeikontrolle wird Cannabis festgestellt. Straßenverkehrsämter sind da auch hinterher (in Bezug auf Fahren unter Drogeneinfluss). Gesellschaftlich ist Cannabis deutlich mehr angekommen bei den Jugendlichen. Dabei ist der Wirkstoffgehalt höher als früher, demnach länger nachweisbar. Heute findet man Cannabis häufig im Umfeld von Schulen.“

Die Sekundarschule Petershagen auf das Thema Drogen angesprochen, wollte sich die Direktion nicht dazu äußern. Ausschließlich der zuständige Sozialarbeiter Marcus Gornik gab zur Kenntnis: „In Zusammenhang mit Drogen ist noch gar nichts aufgetaucht. Meines Wissens nach gibt es keine Anzeigen.“ Wesentlich offener reagierte Direktorin Karin Fischer-Hildebrand vom Städtischen Gymnasium Petershagen. Sie erklärt in einer E-Mail: „Ich kann Ihre Frage ganz klar beantworten. Mir ist nicht bekannt, dass es am Gymnasium Petershagen Verdachtsfälle von Rauschgiftkonsum beziehungsweise -handel gibt. Grundsätzlich sind wir als Lehrkräfte sehr sensibel, wenn es um das Thema Drogen egal welcher Art geht, und thematisieren dies in diversen Unterrichtsfächern, unter anderem Suchtproblematik in Biologie Jahrgangsstufe 6 und 9, in unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlicher Zielrichtung. An der Schule gibt es zudem ein Team von Beratungslehrern, die sich auf unterschiedliche Themenbereiche spezialisiert haben, darunter auch auf Suchtprävention.“

Präventionsmaßnahmen, für die die Polizei im Mühlenkreis in diesem Jahr bisher keine Veranlassung sah. Dazu Thomas Bensch: „Zum einen sind wir von keiner Schule oder anderen Institution beauftragt worden. Und die Rate von 18 Fällen gibt keinen Grund zur Besorgnis.“ Zahlen aus 2018 würden zwar erst im nächsten Jahr vorliegen. „Wenn man die Tendenz sieht, können wir aber wahrscheinlich davon ausgehen, dass diese rückläufig sind in Petershagen. Wenn wir ein Drogenproblem in Petershagen hätten, würden wir es kommunizieren.“

Anders sieht es im gesamten Gebiet Minden-Lübbecke aus. So heißt es unter anderem in der Kriminalstatistik, dass im vergangenen Jahr vermehrt Strafverfahren wegen des Besitzes von Rauschgift eingeleitet wurden. Zwei Dealer konnten in Preußisch Oldendorf und Minden identifiziert werden und auf der Bundesautobahn 2 wurde ein niederländischer Fahrzeugführer mit beträchtlichen Mengen Marihuana und Amphetaminöl festgenommen sowie anschließend dem Haftrichter vorgeführt. Überhaupt würden Rauschgiftkuriere immer wieder die Autobahn als Verbringungsroute nutzen. Beim Rauschgifthandel sei in 2017 aber ein Rückgang zu verzeichnen gewesen.

Rechtsanwalt Schmalz macht ergänzend auf das Problem mit K.o.-Tropfen (Knockout-Tropfen, auch: Vergewaltigungsdroge) aufmerksam. „K.o.-Tropfen sind nur innerhalb 12 Stunden im Urin nachweisbar und kommen gerade bei Sexualdelikten oft zum Einsatz. Haben Frauen erst mal geduscht und gehen erst später zur Polizei, ist die Nachweiszeit meist vorüber.“ Opfern rät Schmalz deshalb, „so schnell als möglich eine Urinprobe abzugeben“. Viele Täter kommen demnach „frei davon“ – auch unter dem Wissen, dass die meist unbemerkt in Getränke gemischten Tropfen bei den Opfern Gedächtnislücken hervorrufen. Am weitesten verbreitet unter den K.o.-Tropfen sei GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure). Überdosiert oder in Kombination mit Alkohol oder anderen Drogen käme das Opfer in ernsthafte Lebensgefahr. Warum die Aufklärungsquote bei Rauschgiftdelikten in Petershagen nur bei 83,33 Prozent liege laut Statistik, klärt Polizeihauptkommissar Bensch anhand eines Beispiels auf: „Wenn wir eine Kontrolle bei drei Leuten durchführen, bei zwei von ihnen Substanzen vorgefunden wurden, einer aber eine Tüte kurz vorher wegschmeißt, kann die Tüte keiner Person zugeordnet werden. Somit haben wir nur zwei Verdächtige. Diese Parameter fließen dann in die bundesweiten Statistiken ein. Konkret wurden von den 18 Fällen, in denen wir jeweils eine Kontrolle durchführten, 15 aufgeklärt und in drei Fällen nur kleinste Mengen Drogen gefunden.“ Außerdem handele es sich in den Fällen von 2017 ausnahmslos um Konsumenten, die mit der Polizei in Kontakt kamen, versichert Bensch, „Dealer waren nicht dabei“. „Vielleicht ist die Sozialkontrolle in der Stadt Petershagen beziehungsweise im ländlichen Bereich einfach größer“, merkt Bensch abschließend an.

Nach einer Befragung von wahllos ausgesuchten Passanten am Gymnasium inmitten der Kernstadt Petershagens stellt sich ebenfalls heraus: In Petershagen gibt es offenbar kein Drogenproblem. Eine ältere Dame bringt es auf den Punkt: „Das Dorf ist noch intakt. Hier passt man noch untereinander auf.“

Text: Namira McLeod, Foto: Stanislau_V/Fotolia


Drogenberatungsstelle für den Kreis Minden-Lübbecke

Die Drogenberatungsstelle des Kreises Minden-Lübbecke ist Anlaufstelle für Menschen bei Fragen zu illegalen Drogen und zum Thema Sucht sowie für Konsumentinnen und Konsumenten als auch für Angehörige. Die Beratungs- und Hilfsangebote orientieren sich an den Themen und Wünschen der Betroffenen. Die Angebote der Beratungsstelle sind kostenlos und anonym. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht.

Laut der veröffentlichten Statistik haben sich 2017 19 Personen aus Petershagen (davon 17 männlich und 2 weiblich) hilfesuchend an die Drogenberatungsstelle des Kreis Minden-Lübbecke gewandt.

Die Drogenberatungsstelle Minden, Rosentalstraße 5, 32423 Minden ist telefonisch erreichbar unter 0571/82854-0. Weitere Informationen gibt es online unter www.minden-luebbecke.de/Service/Drogenberatung.

Text und Foto: Krischi Meier

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