Mittwoch, 24. April 2024

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„Hier durfte ich unendliche Nächstenliebe erfahren“

Neuseeland/Petershagen. Für Sarah Thom aus Petershagen sollte es die Reise ihres Lebens werden: Am 20. Januar diesen Jahres stieg sie in das Flugzeug mit dem Ziel Neuseeland. „Es war schon immer mein Traum, für einen längeren Zeitraum in ein fernes Land zu reisen und dessen Sprache und Kultur kennenzulernen. Neuseeland bot sich für mich an, da mich die Maori Kultur und die ständig wechselnde Landschaft sehr interessiert“, berichtet sie. „Außerdem geht es von Deutschland nicht weiter weg als Neuseeland.“ Einen Rückflug hat sie noch nicht gebucht: „Im Juli oder August möchte ich zurückkommen. Ich habe meinem Freund Fabian versprochen, zu seinem Geburtstag wieder da zu sein.“

Angekommen am anderen Ende der Welt begann das Abendteuer: Genauere Pläne hatte sich die Petershagenerin vorher nicht gemacht. „Ich habe mein Open-Return Ticket, mein Visum, sowie zunächst ein Hostelbett für eine Woche in Auckland. Alles andere würde sich schon ergeben — und so war es auch.“ Innerhalb der ersten Woche lernte sie ihre ersten Reisepartner kennen und beide machten sich mit dem Auto in Richtung Norden auf. Die Nächte verbrachten beide auf günstigen Campingplätzen im Zelt und erkundeten tagsüber die umliegenden Wasserfälle, Glühwürmchenhöhlen, lange Sandstrände und zu guter Letzt das Cape Reinga, welches so ziemlich am nördlichsten Punkt der Nordinsel liegt.

Atemberaubende Strandlandschaften mit der der Cathedral Cove  und dem Tongariro Alpine Crossing (kleine Fotos) zählen zu den Highlights auf ihrer Reise – diese dürfte aus den Narnia Filmen bekannt sein oder einfach von Bildern, die man in vielen Wohnzimmern sieht. 

Später ging die Reise weiter an die Ostküste nach Hawke’s Bay, wo sich die Wege ihres ersten Reisegefährten und Sarah Thom wieder trennten. „Danach verbrachte ich dann etwa drei Wochen bei einer Familie auf einer Farm, um das neuseeländische Familienleben kennenzulernen.“

Weiter ging es mit dem Flugzeug auf die Südinsel, wo die Physiotherapeutin einen Job als Massagetherapeutin angenommen hatte. „Meine Chefin brachte mir unendlich viel Engagement entgegen und arrangierte eine Mitfahrgelegenheit von Queenstown bis ins kleine Te Anau (2,5 Stunden Fahrt) und sogar ein kleines Appartement, in welchem ich günstig leben konnte. Dort bin ich nun immer noch“, erzählt Sarah Thom.

Die ersten Wochen entsprachen genau der geplanten Bilderbuch-Reise. Doch dann kam mit Corona der große Umschwung. Ab dem 25. März um 23:59 Uhr befand sich ganz Neuseeland in „Alert Level 4“, also dem Lockdown. Im Gegensatz zu Deutschland bedeutete dies für alle, die nicht für einen essential Service arbeiteten, zu Hause zu bleiben, Abstand zu halten, nicht mit dem Auto zu fahren und innerhalb seines Haushalts zu bleiben. All dies wurde nicht nur bei den täglichen Pressekonferenzen verkündet, sondern jeder der sich in Neuseeland aufhielt bekam am besagten Tag eine Mitteilung auf sein Telefon, in der die Regeln nochmal kurz und knapp beschrieben wurden. „Act like you have Covid-19! This will save lives!“ – „Handle als hättest du Covid-19! Das wird Leben retten!“ Und Premierministerin Ardern sollte Recht behalten. „Viereinhalb Wochen Lockdown haben wir nun hinter uns und Neuseeland hat die Kurve nicht nur abgeflacht, das Team von 5 Millionen, wie Ardern es nennt, hat sie zerstört. Seit etwa zwei Wochen sind die Neuinfizierungen unter 10. Bisher wurden 19 Tote gezählt“, berichtet Sarah Thom über die Krisenlage.

„Die Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel im Supermarkt, wurden deutlich verstärkt. Es dürfen nur insgesamt zehn Menschen gleichzeitig im Supermarkt sein. Nachdem man reingebeten wurde, desinfiziert man sich die Hände und nimmt sich einen ebenfalls desinfizierten Wagen. Nach dem normalen Einkaufen legt man alles auf das wiederum desinfizierte Kassenband. Nach dem Scannen wird man per Handzeichen aufgefordert, zum kontaktlosen Bezahlen vorzutreten — das alles natürlich mit einem hohen Spuckschutz. Massive Maßnahmen, die aber definitiv schon nach so kurzer Zeit Früchte tragen.“

Seit Ende April wurde auf Level 3 heruntergestuft, aber sozial ändert sich nichts – Nur für die Wirtschaft, denn Geschäfte dürfen unter strengen Auflagen wieder öffnen. Das soll dann etwa zwei Wochen so weitergehen. „Ab Level 2 darf ich dann endlich weiterziehen und ein sehr touristenleeres Neuseeland erkunden. Und man muss sagen, es sieht weiterhin wirklich gut aus, dass es bald soweit kommt“, hofft sie, ihre Reise bald fortzetzen zu können. Kurzzeitig hat Sarah Thom mit dem Gedanken gespielt, ihre Reise abzubrechen und zurück nach Deutschland zu kommen. „Ich war wirklich niedergeschlagen. Aber nach Gesprächen mit meiner Familie habe ich entschieden zu bleiben, da das Reisen sehr unsicher war und ich in Neuseeland sicherer bin als zur Zeit in Deutschland.  Aktuell ist es auch nicht mehr möglich auszureisen, da Neuseeland die Grenzen komplett geschlossen hat. Ab Juni sollen wohl die ersten Flüge wieder starten. Neuseeland wird aber erst dann wieder Touristen ins Land lassen, wenn es einen Impfstoff gibt.“

Bald soll das Abendteuer von Sarah Thom weitergehen, wenn auch anders als geplant. Einige geplante Attraktionen werden jedoch nicht mehr möglich sein. „Das ist aber nicht so schlimm, wie die Ungewissheit, ob ich noch Australien bereisen kann oder nicht. Der Plan war, dass mein Freund Fabian mich dort abholt und wir gemeinsam die Ostküste mit einem Camper bis zum Great Barrier Reef hochfahren. Danach soll es noch weiter nach Bali gehen, bevor wir zusammen den Rückweg nach Deutschland antreten.“

Trotz der Corona-Krise blick Sarah Thom schon jetzt auf eine erfolgreiche Reise: „Mein Fazit ist bisher, dass Neuseeland ein wunderschönes und vielseitiges Land ist, in dem ich unendliche Nächstenliebe erfahren durfte. Ich bin froh diese Krise in einem Land zu erleben, welches an Konsequenz nicht zu übertreffen ist und an dessen Führungskräften sich viele Nationen etwas abschauen können. Noch immer bereue ich meine Reise nicht! Auch wenn es schmerzt, dass ich meinen Traum nicht so leben kann, wie ich es geplant habe und wofür ich jahrelang gearbeitet und gespart hatte. Wer mich kennt, weiß wie viel mir das bedeutet und warum es mich einerseits so traurig stimmt. Andererseits versuche ich meinen Schmerz in etwas positives zu verwandeln und daraus irgendwie zu lernen. Man sagt, dass man auf jeder Reise Hürden überwinden muss und was ist meine Hürde? Genau, eine weltweite Pandemie – na danke! Aber wenn Covid-19 mich nicht kleiner kriegt, dann kann ich auch alle anderen Hürden überwinden.“

Text: Krischi Meier, Fotos: privat

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