Freitag, 26. April 2024

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In Arbeit: Naturschutzgebiet Teichlandschaft Wietersheim

Der Petershäger Anzeiger hat mit Sönke Tielbürger und Sibylle Jeworutzki über die Planungen für den Bereich Wietersheim gesprochen.

Fotos: Dietmar Meier

Ende Mai hat die Untere Naturschutzbehörde (UNB) des Kreises Minden-Lübbecke im Zuge einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung erstmals öffentlich über die Aufstellung des neuen Landschaftsplanes Minden berichtet, in dessen Rahmen die Landschaft rund um die Kiesteiche südwestlich von Wietersheim als Naturschutzgebiet (NSG) ausgewiesen werden soll. Der Petershäger Anzeiger hat mit dem neuen Leiter der UNB, Sönke Tielbürger, und der Sachbearbeiterin des Landschaftsplanes, Sibylle Jeworutzki, einmal über die Planungen für den Bereich Wietersheim gesprochen.

Wie ist der Ablauf bei der Ausweisung des Landschaftsplanes Minden?

Grundlage der Aufstellung des Landschaftsplanes ist der gesetzliche Auftrag zur flächendeckenden Landschaftsplanung. Für Minden hat der Kreistag den Aufstellungsbeschluss 2017 gefasst. Ende 2018 hat die Kreisverwaltung mit der Bearbeitung begonnen und das Umweltinstitut Höxter als Planungsbüro beauftragt, das erforderliche Kartenmarterial zu erstellen. Am 30. Mai diesen Jahres erfolgte eine frühzeitige Bürgerbeteiligung im Preußenmuseum Minden. Nach der Fertigstellung muss der Planentwurf zunächst im Umweltausschuss des Kreises vorgestellt werden. Anschließend muss der Kreistag den Beschluss fassen, dass der Plan öffentlich ausgelegt wird. Das wird voraussichtlich im ersten Quartal 2023 erfolgen. Damit werden dann auch die Träger öffentlicher Belange – wie die Stadt Petershagen – zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Warum wurde der Bereich Wietersheim in diesen Landschaftsplan integriert?

Landschaftspläne werden nicht nach Gemeindegrenzen, sondern naturräumlich abgegrenzt. Vor dem Aufstellungsbeschluss 2017 hat man lange überlegt, wo man die Grenze im Norden von Minden ziehen sollte. Damals ist beschlossen worden, den Bereich Wietersheim mit einzubeziehen. Dazu ist auch das Einverständnis der Stadt Petershagen eingeholt worden.

Warum plant die UNB die Ausweisung der Wietersheimer Teichlandschaft als Naturschutzgebiet?

Richtschnur für die Entwicklung des Landschaftsplanes ist der neue Regionalplan, der derzeit von der Bezirksregierung Detmold aufgestellt wird. Der Entwurf befindet sich bereits in der öffentlichen Auslegung, weshalb die Inhalte bereits bei derzeitigen Planungen auf Kreisebene beachtet werden müssen. Im Regionalplanentwurf sind – basierend auf einem Fachbeitrag für Natur und Landschaft des LANUV (Landesamt für Natur, Umweltschutz und Verbraucherschutz des Landes NRW) – längs der Weser auch im Raum Wietersheim Bereiche zum Schutz der Natur aufgenommen worden, die als Biotopverbundflächen entwickelt werden sollen. Damit ist die Marschrichtung vorgegeben. Die UNB ist aufgefordert, solche Bereiche im Zuge der Landschaftsplanung angemessen zu sichern.

Wie viel Gestaltungsspielraum hat die Untere Naturschutzbehörde angesichts der Vorgaben aus der Regionalplanung für die Maßnahmenplanung in Wietersheim?

Bereiche zum Schutz der Natur im Regionalplan müssen nicht zwingend als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Das kann gemäß der textlichen Darstellung im Regionalplan etwa auch durch Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten oder auch durch vertragliche Regelungen erfolgen. Es obliegt den zuständigen Naturschutzbehörden zu beurteilen, welche Maßnahmen sinnvollerweise getroffen werden sollen, um die für ein Gebiet definierten Ziele zu erreichen. Der Spielraum der UNB zeigt sich in der aktuellen Planung schon daran, dass die Grenzen für das NSG bewusst sehr eng gezogen wurden. Der Bereich des Naturschutzgebietes konzentriert sich weitestgehend auf die Teichlandschaft, während umgebende hochwertige Grünlandbereiche außen vor gelassen wurden.

Schon seit Jahren wirken die Teiche rund um Wietersheim wie ein kleines Vogelparadies. Sichtbarstes Beispiel: am südlichen Ortsausgang von Wietersheim tummeln sich im „vogelfreundlich“ gestalteten, flachen Uferbereich eines Kiesteiches schon jetzt fast immer zahlreiche Wat- und Wasservögel, und das unmittelbar neben der vielgenutzten Landstraße zwischen Wietersheim und Leteln. Gleiches ist auf den Spülfeldern der Kieswerke zu beobachten. Welchen Mehrwert gegenüber dem bereits bestehenden Zustand erwarten Sie für das Areal durch eine Ausweisung als Naturschutzgebiet?

Das Gebiet ist noch in der Entwicklung, es ist noch nicht fertig. Mittlerweile haben wir Hinweise darauf, dass der Biber auch längs der Weser wieder seine Spuren hinterlässt. Wenn Arten wie der Biber sich auch hier ansiedeln sollten, dann können wir davon ausgehen, dass der Wert des Gebietes noch weiter steigt, dass sich das Gebiet in einer ruhigen Art und Weise zu einem noch hochwertigeren Biotop entwickelt und damit noch einladender wird für Arten, die besonderen Schutz bedürfen.

Naturgemäß nutzen insbesondere Einwohner von Wietersheim und den Nachbarorten die Teichlandschaft für die Naherholung, sei es für Fahrradfahrten oder für Spaziergänge mit oder ohne Hund. Welche Auswirkungen hätte die Ausweisung als Naturschutzgebiet für die Naherholung?

Naturnahe Erholung und touristische Nutzung soll und darf auch weiterhin stattfinden. Wir wollen Naturschutzgebiete auch weiterhin erlebbar machen. Aktuell gibt es Betretungsverbote der Firmengelände, auf denen derzeit noch Abgrabungen laufen. Wenn das Abgrabungsgeschehen irgendwann zu Ende ist, wird sich die Frage stellen, wie kann man Erholungssuchende richtig lenken und wo die Grenze der Erholung ist.

Wie offen ist die Untere Naturschutzbehörde für Änderungen am jetzigen Planungsstand?

Schon im Rahmen der bisherigen öffentlichen Beteiligung haben wir versucht zu kommunizieren, dass wir die Planung nicht einfach ohne Berücksichtigung kommunaler und privater Interessen durchdrücken wollen. Ein Naturschutzgebiet in Wietersheim auszuweisen bedeutet für uns nicht, eine Wildniszone zu schaffen, die man nicht betreten oder als Landwirt oder Waldbesitzer nicht befahren darf. Uns ist vollkommen klar, dass wir uns mit Betroffenen intensiv austauschen müssen, um deren Sorgen entgegenzunehmen. Dafür investieren wir bewusst viel Zeit, auch wenn es den Prozess langwieriger macht. Aber wir halten diesen Schritt für ganz wichtig, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

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Foto: privat

Die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Minden Lübbecke wird seit  November 2021 von Sönke Tielbürger geleitet. Zuvor war der studierte Forstwirt beim Landesbetrieb Forst und Wald NRW im Bereich Planung und Entwicklung tätig und in diesem Feld auch mit der Aufgabe vertraut, für ein vernünftiges Nebeneinander von Nutzung und Naturschutz zu sorgen. Motivation für seinen Wechsel zur Kreisverwaltung sei die Vielfalt der Aufgaben gewesen, die bei der UNB weit über das Management des Ökosystems Wald hinausgehe und unter anderem auch die Betreuung von Biotopen und Schutzgebieten in den Moorregionen des Kreises wie auch den Blick auf die freie Landschaft beinhalte.

 

Kommentar von Dr. Dietmar Meier

Dass nicht nur in Wietersheim Alarmglocken klingelten, als die Untere Naturschutzbehörde des Kreises angekündigte, die Landschaft rund um die Kiesabgrabungen südwestlich von Wietersheim als Naturschutzgebiet ausweisen zu wollen, ist wenig verwunderlich. Zu viel Ärger hat es in Petershagen gegeben, seitdem mehr als die Hälfte der Weseraue, von der Weserbrücke bis zur nördlichen Grenze des Stadtgebietes komplett als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden ist. Zu kontraproduktiv war die Art, in der manche Vertreter aus Verwaltung und Verbandsebene das Thema Naturschutz über jegliche andere Interessen gestellt haben. Prominentestes Beispiel dafür: das kompromisslose Bestreben von Naturschützern, die Solarfähre zwischen Windheim und Hävern zu verhindern. 

Schwer aufgestoßen ist vor wenigen Jahren auch der sogenannte Vogelschutzmaßnahmenplan. Als festgestellt wurde, dass es mit den Vogelpopulationen im Naturschutzgebiet bergab ging, forderte der hauptamtliche Naturschutz, die Restriktionen im NSG Weseraue weiter zu erhöhen und das Schutzgebiet weiter auszudehnen. Dass es hier aber offensichtlich um ein hausgemachtes Problem ging, dass Wildschweine, Waschbären und andere Prädatoren, die sich im Naturschutzgebiet gerade wegen des Schutzstatusses „sauwohl“ fühlen, wesentlich zur Dezimierung der Vogelwelt beigetragen haben, hat man auf Seiten des Naturschutzes entweder nicht erkannt oder nicht wahr haben wollen. Heute ist die Jägerschaft gefordert, die aus dogmatischem Denken resultierenden Defizite auszubügeln.

Deutliches Indiz für das Image, den der Naturschutz in der Weseraue derzeit in Petershagen genießt, war auch das Prozedere um die Beseitigung der maroden Spundwand am Schiffsanleger in Heisterholz. Als dem damaligen Petershäger Bürgermeister Dieter Blume 2016 nichts Besseres einfiel, als am Schiffsanleger ein Biotop einzurichten zu wollen, um auf diese Weise Gelder für die Beseitigung der Spundwand zu akquirieren, formierte sich in Petershagen massiver Widerstand. Auch, um nicht einer Entwicklung Tür und Tor zu öffnen, an deren Ende sich die Weseraue im südlichen Abschnitt des Stadtgebietes genauso durchgängig in ein NSG verwandeln könnte wie der nördliche Abschnitt. Insofern ist die UNB gut beraten wahrzunehmen, dass es jetzt in Wietersheim nicht um „irgendein“ Naturschutzgebiet geht, sondern dass damit ein besonderer Petershäger Nerv berührt wird. 

Was den Unterschied zu früheren Jahren ausmachen könnte, sind die Akteure, die heute in der Verantwortung für die Planungen stehen. Mit Martina Vortherms steht inzwischen jemand an der Spitze des Umweltamtes, der – wie der 2019 erstmalig begangene Petershäger Wesertag gezeigt hat – auch über Tellerränder hinaus gucken kann. Diese Veranstaltung wäre ohne ihre Unterstützung – damals noch als Leiterin der UNB – sicher nicht in der Form zustande gekommen. Und auch ihr Nachfolger in dieser Funktion, Sönke Tielbürger, vermittelt den Eindruck, durch seine vorherige berufliche Tätigkeit einen Blick auch für Belange jenseits des Naturschutzes zu haben. Insofern sind alle Beteiligten (Anwohner, Landwirte, Angler, Jäger, Stadtverwaltung etc.) sicher gut beraten, Gesprächsangebote zu nutzen und die Auswirkungen angedachter Maßnahmen konstruktiv und auch mit gegenseitigem Verständnis für die unterschiedlichen Rollenverteilungen zu diskutieren.

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