Samstag, 27. Juli 2024

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Naturschutzwächter Reinhard Remiasch versucht für die heimische Natur zu sensibilisieren

Petershagen. Sommeranfang heißt für einige, ihre Autos spazieren zu fahren. Da führt der Weg gern einmal von Bielefeld bis zum Schiffsanleger Heisterholz oder von Hannover zur Heimser Marsch. Petershagen ist ein beliebtes Ausflugsziel für Naturliebhaber. Ärgerlich ist, dass viele Ausflügler, darunter auch Angler, Parkverbote missachten und dabei wertvolles Ackerland sowie durch das Befahren der Wiesen und Auen bedeutsame Nist- und Brutplätze zerstören und seltene Vogelarten vertreiben. Naturschutzwächter Reinhard Remiasch kennt das Dilemma und erzählt aus seiner eigenen Erfahrung.

Am Sonntag, 21. Juni, gegen 15 Uhr trauten Besucher des Schiffsanlegers Heisterholz ihren Augen kaum. Drei Autos mit Bielefelder Kennzeichen parken mitten in der Landschaft – abgestellt von Fahrern, die an der Weser angeln wollen. Die auserwählte Stelle liegt nur etwa hundert Meter vom Parkplatz am Schiffsanleger entfernt. Offensichtlich wollten die Angler den Fußweg zur Weser verkürzen. Das machte die Runde in Petershagen. Facebook-Kommentare wie „Zurück zur Natur aber bloß nicht zu Fuß“, „Schiffsanleger könnte ja was kosten“ oder „ist hier in Stolzenau und Umgebung ganz normal geworden … auch fast ausschließlich Angler aus dem Bielefelder Raum“ verdeutlichen das zunehmende Problem.

Reinhard Remiasch mit seiner Frau Ines.

Reinhard Remiasch aus Heimsen, seit Anfang des Jahres ehrenamtlicher Naturschutzwächter des Kreises Minden-Lübbecke, in Bielefeld geboren und aufgewachsen im Kreis Lippe, sind solche Vorfälle seit geraumer Zeit bekannt. „Überall, wo große Wiesen und weite Felder zu finden sind, wird regelwidrig geparkt. Verbotsschilder werden ignoriert, ebenso ausgeschilderte Naturschutzgebiete. Beschilderte Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es hier leider noch nicht, was für Mensch und Tier wünschenswert wäre, da einige Pkw- und Lkw-Fahrer sehr schnell durch die schöne Marsch rasen“, erläutert er. Am meisten ärgere er sich aber, wenn er auf Unverständnis stößt.

„Meine Aufgabe als Naturschutzwächter ist es, die Leute auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen und über die Natur aufzuklären. Manche zeigen sich einsichtig und bedanken sich. Gleichwohl muss ich immer öfter erleben, dass sich Ausflügler – insbesondere Angler aus größeren Städten wie Bielefeld und ältere Herrschaften – angegriffen fühlen und patzig bis beleidigend werden, obwohl ich ruhig, freundlich und respektvoll auf die Leute zugehe. Das ist mir sehr wichtig. Dabei scheint den Gästen gar nicht bewusst zu sein, was sie für einen Schaden anrichten können. Parkt ein Auto mit heißem Katalysator dicht am Acker, kann sich das schnell zum Steppenbrand entwickeln. Zudem hat sich offenbar noch nicht herumgesprochen, dass man im Naturschutzgebiet seine Hunde anzuleinen hat – zur Sicherheit für Mensch und Tier“, verdeutlicht Remiasch.

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„Als ich mit meiner Frau Ines 2017 zu meinen Kindern nach Heimsen zog, wollte ich mich als Neubürger in die Gemeinde einbringen und suchte nach einer sinnvollen Tätigkeit. Da ich schon immer gern in der Natur unterwegs war, bin ich auf den Posten des Naturschutzwächters gestoßen. Von Anfang an wollte ich – entgegen den rund 20 festen Posten im Kreisgebiet – ehrenamtlich arbeiten. Dann dauerte es ein paar Monate, musste durch den Rat genehmigt werden und ich bekam die Stelle. Ich war überglücklich und nahm im Januar meine Arbeit auf. Das heißt, ich appelliere an die Bürger, mache in besonders schweren Fällen Fotos und melde das dem zuständigen Amt. Zum Beispiel konnte ich einmal beobachten, wie ein Besitzer seine zwei Schäferhunde hinter seinem fahrenden Auto rennen ließ. Das fällt in den Bereich Tierschutz.“

Weitere Fälle, wie die eines Hannoveraners, der mitten in der Heimser Marsch sein Auto abstellte (in dem Naturschutzgebiet „gehe es sonntags zu wie auf der A2“, so Remiasch im Interview), und Sprüche wie „ich hab‘ schon viel von dir gehört, du bist in aller Munde, verpiss dich“ seien seitdem an der Tagesordnung des Naturschutzwächters. Umgekehrt traue sich eine Jägerin nicht mehr, ihr Auto mit einem Aufkleber amtlich auszuweisen, seitdem beim letzten Auto alle Scheiben eingeschlagen wurden.

„Ich wünsche mir unter den Gästen und Anwohnern ein besseres Miteinander, dass nicht jeder alles so persönlich nimmt. Wenn man angesprochen wird, gerade jetzt in der Coronazeit, fühlen sich viele angegriffen, dabei betrifft der Umweltschutz doch alle“, führt Ines Remiasch aus. „Andererseits kann man sich gerne Kritik anhören oder Anregungen. Jeder sollte sich ein bisschen besinnen auf das Wichtige im Leben und sich selbst nicht so ernst nehmen. Ein bisschen mehr Ruhe, ein bisschen mehr Kommunikation und das Leben ist schön, denke ich.“ Reinhard Remiasch: „Ich schließe mich da voll und ganz meiner Frau an. Ich möchte eher alles in Ruhe klären und mich einfach mit den Leuten unterhalten, was manchmal sehr schwer möglich ist, weil sie schnell aufbrausen.“

Auf die Frage, was Reinhard Remiasch Leuten aus Bielefeld rät, wenn sie mit ihren Autos zu Gast im Kreis Minden-Lübbecke sind, antwortet er: „Auf jeden Fall auf den Naturschutz achten, sich umschauen, auf die Schilder gucken, was da steht, und das beachten. Viele sagen ‚ja weiß ich, da steht ein Schild‘, aber sie lesen die Schilder nicht. Und davon sind reichlich vorhanden. Es steht überall drauf, was erlaubt ist und was nicht. Wenn sie sich danach richten würden, das wäre schon schön.“ „Nicht nur ins Grüne fahren, um ins Grüne zu fahren, sondern bewusster auf Natur und Tiere achten“, ergänzt seine Frau. „Genau. Das Ganze sehen“, so der Naturschutzwächter.

Kurzum: Gäste aus nah und fern sind herzlich willkommen. Autofahrer sollten aber auf den ausgewiesenen Parkplätzen parken. Dann können sie gern die Landschaft in Petershagen und Umgebung erkunden – mit angeleintem Hund, Fahrrad und der ganzen Familie. „Manchmal kann man hier auch Pferdekutschen sehen“, verabschiedet sich Reinhard Remiasch mit einem Ausflugstipp und freut sich über jeden, der Petershagen künftig mit naturverbundenen Augen sieht.

Text: Namira McLeod, Fotos: Namira McLeod (1), privat (1)

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