Petershagen (ddm). Es hat sich gewaltig verändert, das Gelände unterhalb des „Alten Kirchweges“ in Petershagen, seit der Lauf der Ösper dort Ende 2014 umgestaltet wurde. Neben einem sommerlich dichten Bestand an Gräsern, Brennesseln, Schilf und Co. sind auch Büsche und Bäume in den letzten 3 Jahren so kräftig gesprossen, dass der Abschnitt beim Spaziergang und aus der Luft mittlerweile fast schon den Eindruck eines kleinen Wäldchens vermittelt (Foto rechts). Mit den „Füßen im Wasser“ hat sich das Grün selbst in den trockenen Jahren so stark ausgebreitet, dass die Ösper vom Alten Kirchweg im Sommer praktisch nicht mehr zu sehen ist und man auf dem gegenüberliegenden, von Spaziergängern gern genutzten Räumweg vor einem kaum durchdringlichen Dickicht steht.
Rückblende: Im Herbst 2014 erhielt das Öspertal zwischen der B61-Brücke und der Bremer Straße auf einer Länge von 700 m neue Konturen. Der Talquerschnitt wurde verbreitert, Uferbefestigungen wurden entfernt, Steilkanten und Mulden angelegt und eine Flussrinne in Schlangenlinien ausgebaggert. Für die Planung fachlich verantwortlich war das Mindener Büro Sönnichsen und Partner, auf der Verwaltungsebene Petershagens damaliger Bürgermeister Dieter Blume, der damals auch Chef des Wasserverbandes Weserniederung war – und bis heute ist.
Schon wenige Wochen nach den Baumaßnahmen hat die Ösper selbst kräftig Baumaschine gespielt. Bereits bei den ersten höheren Wasserständen der Ösper wurden die neu angelegten Böschungen unterhalb des Alten Kirchweges erodiert . Was nicht verwunderlich ist, besteht der Boden hier doch aus unverfestigten eiszeitlichen Ablagerungen (Schluff, Sand und Ton). Begünstigt durch die Trockenheit und entsprechend niedrige Wasserstände ist die Erosion von 2018 an nicht nennenswert fortgeschritten. Die Böschungskanten sind dennoch weiter präsent.
Die ungebremste Entwicklung der Vegetation wirft Fragen auf, denn der Bereich unterhalb des Alten Kirchweges ist amtlich als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen. Da das Thema Hochwasser nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal vielerorts mit anderen Augen betrachtet wird, haben wir den Kreis Minden-Lübbecke als Aufsichtsbehörde kurzfristig um eine Stellungnahme zur Ösper gebeten.
Zum Genehmigungsverfahren der Maßnahme teilte das Umweltamt des Kreises mit: „Da von dem Ausbauvorhaben Ösper keine negativen Auswirkungen auf Schutzgüter zu erwarten waren, unterlag das Vorhaben nicht den Regelungen der Umweltverträglichkeitsprüfung, so dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht vorgesehen war und nicht durchgeführt wurde. Eine hochwasseraufsichtliche Genehmigung war zudem aufgrund der Konzentrationswirkung der Plangenehmigung nicht notwendig. Die Ausbaumaßnahme ist im Übrigen hochwasserneutral geplant worden. Negative Auswirkungen auf die Hochwassersituation sind hier nicht zu erwarten.“
Und zum Thema Bewuchs schreibt die Verwaltung: „In der Plangenehmigung wird über eine entsprechende Nebenbestimmung sichergestellt, dass die Gewässerunterhaltung so erfolgt, dass es durch sich entwickelnden sukzessiven Gehölzbewuchs zu keiner Riegelbildung für den Hochwasserabfluss kommt. Die im Antragsverfahren beigebrachten hydraulischen Berechnungen belegen die zulässigen Rauigkeitszustände. So ist zwischen Bremer Straße und B 61 lichter Gehölzbewuchs, das heißt zum Beispiel Einzelbuschwerk oder Jungerlengruppen, durchaus zulässig. Eine flächige Verbuschung oder ein riegelartiger Bewuchs wird aber selbstverständlich unterbunden. Dies wird durch den Träger der Umgestaltungsmaßnahme, den Wasserverband Weserniederung, der hier auch die Gewässerunterhaltung wahrnimmt, sichergestellt.“
Soweit zur Theorie. Wie der Bewuchs aktuell wirklich aussieht, haben wir skizziert. Nicht der einzige Punkt. Dass sich — entgegen der damaligen Einschätzung des Keisumweltamtes — bei Hochwasser negative Auswirkungen ergeben können, hat schon die frühzeitige Erosion der Böschungen gezeigt. Besonders eklatant aus geologischer Sicht aber ist eine Schwachstelle, die direkt mit der Planung eingebaut wurde, der vertikale Anschnitt des Hanges in einer Prallhang-Situation unweit der Straße (Bild unten). Eine fachgerechte ingenieurgeologische Prüfung der Standfestigkeit dieser Böschung hat es vorher nicht gegeben, wie aus der Antwort auf eine Anfrage vom 27. 6. 2016 an den damaligen Bürgermeister Blume hervorgeht. Der Wasserverband hat hier vor einiger Zeit eine Markierungsstange gesetzt, um den Erosionsfortschritt im Auge zu behalten (eingeblendetes Foto), Abstand zur Kante derzeit 70 Zentimeter.
Würde die Böschung einem extremen Hochwasser Stand halten? Wer käme im Schadensfall für die Kosten auf? Entspricht die Vegetation aktuell noch der Plangenehmigung für ein Überschwemmungsgebiet? Soll sich die Vegetation in dem Maße wie bisher weiterentwickeln? Wie hoch sind Aufwand und Kosten für eine hochwassergerechte Pflege? Das wären einige der Fragen, die auch für die Mitglieder des Stadtrates relevant sind. Der Ösperabschnitt lädt zur Begehung ein.