Petershagen (ddm). Es sind beeindruckende Wildtiere, die sich – von der Evolution bestens ausgestattet – fast überall auf dem Planeten Lebensräume erobert haben. In Deutschland lange Zeit ausgerottet, hat die Zunahme der Population in den letzten Jahren allerdings eine derartige Dynamik an den Tag gelegt, dass Verantwortliche in Politik und Behörden mittlerweile vor – scheinbar unerwarteten – Herausforderungen stehen. Dass das vielfach präsentierte Bild vom scheuen Wildtier, dass die Nähe zu Menschen generell meidet, nicht die ganze Wahrheit widerspiegelt, zeigen mittlerweile zahlreiche Veröffentlichungen in der Presse und in den sozialen Medien. Die Bilder von gerissenen Nutztieren (wozu inzwischen selbst Ponys und Kälber gehören) belegen, dass Wölfe als intelligente Art alle Freiräume nutzen, die ihnen gelassen werden. Das wiederum sorgt zum Umdenken im Umgang mit der Art, die nach bestehendem Naturschutzrecht streng geschützt ist.
Wie viele Wölfe gibt es derzeit in Deutschland?
Auf der Suche nach einer entsprechenden Zahlenangabe empfiehlt Google als erstes die Internetseite der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf DBBW“. Bei der DBBW handelt es sich um ein Projekt des Bundesamtes für Naturschutz BfN, an dem verschiedene wissenschaftliche Institute mitwirken. Auf ihrer Webseite präsentiert die DBBW die nebenstehende Grafik, in der die Entwicklung der Zahl der Wolfsreviere seit 2001, differenziert nach Wolfsrudeln, Paaren und Einzelwölfen dargestellt ist. Auf unsere Nachfrage teilte die Pressestelle des BFN dazu erklärend mit:
„Eine Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Wölfe (Welpen, Jährlinge, Adulte) kann nicht seriös angegeben werden, da zum einen das Monitoring der Bundesländer auf den Nachweis von Rudeln, Paaren und territorialen Einzeltieren – und nicht auf die Erfassung der Zahl der Wolfsindividuen – ausgerichtet ist. Zum anderen variieren die Rudelgrößen sehr stark, sodass eine Schätzung eines Gesamtbestands von Wölfen in Deutschland bestenfalls nur mit einer großen Unsicherheit durchgeführt werden könnte.“ Ergänzend dazu: „Die Anzahl der Tiere in einem Rudel kann zwischen 3 und 10 Tieren variieren (Elterntiere, Jährlinge und Welpen).“
Was die abgebildete Grafik jedoch unübersehbar vor Augen führt, ist das exponentielle Wachstum der Wolfspopulation in den vergangenen Jahren. In Zahlen betrachtet erleben wir derzeit von Jahr zu Jahr eine Zunahme von mehr als 30 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr, wie die Landesjägerschaft Niedersachsen auf ihrer Webseite www.wolfsmonitoring.com schreibt! Nicht verwunderlich: genau so exponentiell in die Höhe geschossen sind auch die Risse von Nutztieren.
Was Zahlen anbelangt, wird die Landesjägerschaft Niedersachsen, die auf niedersächsischer Seite für das amtliche Wolfsmonitoring zuständig ist, deutlicher. Aktuell gehe man von einer Zahl von circa 450 Wölfen in Niedersachsen aus, mit einer Schwankungsbreite zwischen 400 und 500 Individuen, wie der Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft, Raoul Reding, im Gespräch erläuterte. In Niedersachsen habe man sogar Steigerungsraten der Population von über 50 Prozent pro Jahr. „Angesichts der mittlerweile in Norddeutschland vorhandenen Grundgesamtheit dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die Zahlen in den bislang wolfsarmen Bundesländern deutlich steigen.“
Verglichen mit Niedersachsen haben wir es in Nordrhein-Westfalen derzeit erst mit einer Handvoll Wölfe zu tun. Doch wie titelte selbst der WDR im Herbst: „Wenige Tiere, viel Ärger: der Wolf in NRW“.
Die Landesregierung reagiert: Im Umweltministerium wird derzeit eine neue Wolfsverordnung für NRW erarbeitet, die ein aktives Wolfsmanagement ermöglichen soll. Dazu hatte die Koalition aus CDU und FDP Ende Januar einen Antrag eingebracht, der die Zielrichtung definiert. Dazu Bianca Winkelmann, umwelt- und landwirtschaftspolitische Sprecherin der CDU Landtagsfraktion: „Die Weidetierhaltung leistet wichtige Beiträge für die Biotop- und Landschaftspflege, ebenso wie für den Hochwasserschutz im Land. Doch allein 2021 hat es in NRW 40 Wolfsrisse von Nutztieren gegeben. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Schäden, sondern auch um nicht materielle, emotionale Schäden auch bei Menschen, die die Tierhaltung hobbymäßig betreiben“, sieht Bianca Winkelmann die Entwicklung an einem kritischen Punkt. „Es gibt keine praktikable Weidetierschutzmaßnahme, um Wolfsrisse vollständig auszuschließen.“
Angesichts der erwarteten deutlichen Zunahme der Wolfspopulation auch in NRW sei es an der Zeit, eine Verordnung rechtssicher auf den Weg zu bringen, die nicht nur den Interessen des Naturschutzes Rechnung trage sondern auch den Interessen der traditionellen Landnutzung und Weidetierhaltung.
www.dbb-wolf.de
www.wolfsmonitoring.com