Donnerstag, 18. April 2024

Anzeige

Sandrippeln – Sandgeschichten

Petershagen. Einzelne Sandkörner bewegen sich im Wind oder im Wasser unberechenbar, chaotisch. Niemand mag vorauszusagen, wo ein Sandkorn, das von einer Luft- oder einer Wasserströmung aufgewirbelt und fortgetragen wird, wieder zur Ruhe kommt. Und dennoch, selbst aus ungeordneten Bewegungen vieler Sandkörner können faszinierende Muster hervorgehen. Ein Beispiel für solche schöpferischen Kräfte in scheinbar unkontrollierten Systemen sind Sandrippeln, die sich auf vielen Sandoberflächen finden, in der Wüste ebenso wie am Meeresboden oder im Flussbett. Auch in den heimischen Sand- und Kiesgruben können wir Sandrippeln finden, auf den Spülfeldern und auf Sandhalden, die schon längere Zeit liegen (Foto rechts oben).

Die physikalischen Prozesse, die zur Entstehung von Sandrippeln führen, wurden bereits um 1910 von der englischen Physikerin Hertha Ayrton beschrieben. Mit einem einfachen Experiment kann das jeder nachvollziehen. Benötigt wird lediglich ein größeres Gefäß, zum Beispiel ein Aquarium. Feiner Sand wird gleichmäßig auf dem Boden des Gefäßes verteilt, Wasser wird eingefüllt und das Ganze in gleichmäßige Schwingung versetzt (Rollbrett), so dass künstliche Wellen entstehen. Diese verursachen schon nach kurzer Zeit Rippeln auf der Sandoberfläche. Am Beginn spielt noch der Zufall eine Rolle. Schon kleinste Unebenheiten auf dem Sandboden verursachen Turbulenzen in der bodennahen Strömung. Hinter Kanten oder Erhebungen bilden sich Wirbel, die Sandkörner aus Vertiefungen abtragen und „nebenan“ in Form kleiner Sandrücken, den Sandrippeln, wieder ablagern. Dabei wird ein sich selbst verstärkender Prozess in Gang gesetzt: wächst eine Erhebung, verstärkt sich der Wirbel auf ihrer Rückseite und damit nimmt auch die Materialverlagerung zu.

Die Sandrippeln im Aquariums-Experiment haben eine weitgehend symmetrische Form (Oszillationsrippeln genannt), da die Wellen im Wechsel von beiden Seiten des Gefäßes zurückgeworfen werden. Strömungsrippeln im Flussbett oder auf einer Düne sind dagegen meist asymmetrisch, mit einem flachen Hang auf der strömungszugewandten Seite und einen steilen Hang auf der strömungsabgewandten Seite. Das erlaubt es Geowissenschaftlern, Strömungen in längst vergangenen geologischen Zeiten zu rekonstruieren. Ein schönes Beispiel dafür zeigt das Foto unten rechts aus dem Kalksandsteinwerk Seelenfeld. Die im Querprofil angeschnittenen Rippeln im Schmelzwassersand sind vor circa 200.000 Jahren während der Saale-Kaltzeit entstanden. In der Natur verändern sich Rippelmuster kontinuierlich, da wir es hier mit immer wieder wechselnden Strömungsverhältnissen zu tun haben und ständig neuer Sand wie auch gröberes und feineres Material an- und abtransportiert wird.

Text und Foto: Dietmar Meier

Anzeige

Das könnte Sie auch interessieren