Montag, 29. April 2024

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Schlüsselburg – Kleine Ortschaft mit großer Geschichte

Schlüsselburg - eine kleine, aber feine Ortschaft im Weserbogen mit erstaunlich langer Geschichte und gut erhaltenen historischen Bauten.
Die Burg Schlüsselburg mit dem Wappen des alten Fürstentums Minden. Fotos: Namira McLeod

Schlüsselburg. Wer die nordöstliche Spitze Nordrhein-Westfalens kennenlernen möchte, sollte sich nach Schlüsselburg aufmachen – eine kleine, aber feine Ortschaft im Weserbogen mit erstaunlich langer Geschichte und gut erhaltenen historischen Bauten.

Der Ort, seine Herkunft und die Schlüssel

„Bezirk Schlüsselburg“ heißt es auf einer historischen Landkarte – eine über 680 Jahre alte Ortschaft mit einem Namensbestandteil, dessen Symbol bis heute viele Wappen des Kreises Minden-Lübbecke schmückt: Zwei schräggekreuzte Schlüssel. Die „Schlüssel Petri“, ein Symbol für die Macht des Papstes als Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, verkörpern die Zugehörigkeit zum alten Fürstentum Minden. Dort residierten Bischöfe und Grafen.

Doch wie das damals so war, mussten die Herrschaften Grenzen setzen. 1335 ließ der Mindener Bischof Ludwig von Braunschweig-Lüneburg auf einer Weserinsel zum Schutz gegen die Grafen von Hoya die Burg Schlüsselburg bauen. Die Burg wurde nach dem Wappenzeichen des Bistums Minden benannt. Die Grafen von Hoya sicherten sich im Gegenzug das „Feste Haus“ in Stolzenau – ein burgähnlicher Wohnturm mit dicken Mauern.

Aus dieser Grenzstreitigkeit heraus entstand nicht nur die Burg, sondern später auch der Verwaltungsbezirk Schlüsselburg, der letztlich zur Ortschaft „Schlüsselburg“ erklärt wurde und mittlerweile der weitläufigen Stadt Petershagen angehört. Rund um die Burg entwickelte sich nämlich im Laufe der Zeit eine Kleinstadt, die damit begann, ihren bescheidenen Wohlstand auf Ackerbau aufzubauen. Und was benötigten die Bauern, um ihr Heu einzulagern?

Das Scheunenviertel umfasst 26 Scheunen. Luftbild: Krischi Meier

Ein „Schünenvertel“

„Hat der Bauer keene Scheune, kriegt des Nächtens schlechte Träume“ oder so ähnlich müsste eine Bauernweisheit lauten, wenn man vor dem Gebilde in Schlüsselburg steht. Dicht aneinandergebaut drängen sich 26 Scheunen, alle in seiner ursprünglichen Bauart des Zweiständerfachwerks erhalten, wie ein eigenständiges Dorf auf einem Gelände. Sieht ungewöhnlich aus, hat aber Sinn und Zweck.

Das immer wiederkehrende Hochwasser der Weser, die enge Bebauung des Ortes wie auch Brandkatastrophen in den Jahren 1617 bis 1711 (zum Beispiel durch Heuselbstentzündung) haben die Schlüsselburger dazu veranlasst, im 18. und 19. Jahrhundert die „Scheunen vor den Toren“ (das heißt außerhalb der Hofstätten) zu errichten, um dort ihre Ackergeräte, Erntevorräte, das Saatgut sowie vor allem Heu und Stroh trocken und geschützt zu lagern. „Dat Schünenvertel“, wie es im Plattdeutschen genannt wird, liegt auf einer Anhöhe und ziemlich weit weg von der Weser. Ein kluger Entschluss angesichts der jüngsten Flutkatastrophen, zumal Schlüsselburg (wie auch der Nachbarort Röhden) direkt im Weserbogen liegt. Bis heute dienen die Scheunen als trockener Unterstellplatz für Gerätschaften aller Art.

Doch der gute Erhaltungszustand der prachtvollen Holzbauten kommt nicht von irgendwo her. Da seit den 1970er Jahren die Scheunen vom Verfall bedroht waren, gründete sich am 9. Juli 2008 der Verein „Dat Schünenvertel – Arbeitskreis Schlüsselburger Scheunenviertel“. In enger Zusammenarbeit mit der Stadt Petershagen und mithilfe vergangener Fördermittel kümmern sich die Schlüsselburger um ihr bäuerliches Erbe und restaurieren die Gebäude, um sie als historische Sehenswürdigkeit erhalten zu können. Das „Schünenvertel“ gilt heutzutage als „Kulturgut von überregionaler Bedeutung“. Ist aber längst nicht die einzige Attraktion in der Petershäger Ortschaft.

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Das „Alte Pfarrhaus“

In unmittelbarer Nähe der Burg befindet sich das „Alte Pfarrhaus“ – genau genommen das fünfte, das auf diesem Grundstück errichtet wurde. Die Vorgänger aus der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1909 fielen entweder Bränden zum Opfer oder der Erhalt wurde schlichtweg zu teuer. Von einem Architekten namens Meswarb 1909/10 erbaut, findet man jetzt einen repräsentativen Wohnbau mit zwei Vollgeschossen in Backsteinbauweise vor.

Doch nachdem 2008 das letzte Pfarrer-Ehepaar auszog, stand das Gebäude leer. Erst mit der Einrichtung der 170 Kilometer langen Pilgerstraße Sigwardsweg im September 2009 kam die Idee auf, das Alte Pfarrhaus wiederzubeleben. Von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde in die Hand genommen wurde das Pfarrhaus zur Pilgerherberge Schlüsselburg hergerichtet und am 23. Juni 2012 offiziell eröffnet. Fortan konnten Pilger wie auch Fahrradtouristen, die am Weserfernradweg unterwegs waren, in der Herberge Rast machen und übernachten. Für Informationen und Buchungsanfragen ist das Pilgerherbergsteam erreichbar unter 0177-2891351 oder per Mail an Esther.Witte@t-online.de.

Ein näherer Blick auf die historische Außenfassade von der Straße Vorburg aus lohnt sich aber allemal. Apropos Vorburg:

Die Burg Schlüsselburg

Die eigentliche Burg im Dorf, die im Laufe der Jahrzehnte des Öfteren die Besitzer wechselte – darunter Mitglieder der Familien von Münchhausen, von Klencke und von Moeller – wurde um 1645 zum brandenburgischen Amtshaus umfunktioniert, gelangte 1846 in Besitz der ehemaligen Gemeinde Schlüsselburg, beherbergte bis 1934 die Amtsverwaltung und bis 1961 die Schule.

Ehemals von einem Wassergraben umgeben, handelt es sich heute um den Teil der Burganlage, der nach Angaben des Autors Bernd-Wilhelm Linnemeier den Rest einer zweiflügeligen Anlage mit zahlreichen Nebengebäuden ausmacht, die in den Jahren 1581 bis 1585 als Neubau die ursprünglichen mittelalterlichen Baulichkeiten ersetzten. An der Westseite des Burghofes lag im 17. Jahrhundert ein Wirtschaftsgebäude, während die Südflanke des Hofes durch Ställe eingenommen war. Außerdem existierte im 18. Jahrhundert ein zweigeschossiger Nordflügel, der dem Verfall erlag und im 19. Jahrhundert abgerissen wurde. Die bis heute erhaltene mauereingefasste Toreinfahrt an der Straße Vorburg stellte früher die Durchfahrt zum inneren Burghof dar.

Zurück bleibt eine historisch wertvolle, anschauliche Burg – nicht zu verwechseln mit dem Rittergut Schlüsselburg am rechten Weserufer –, die im Jahr 1971 von der Familie Swoboda übernommen und aufwendig restauriert wurde. Die Burg befindet sich bis heute in Privatbesitz der Familie, öffnet auf Anfrage aber gern Haus und Tor für kulturelle Anlässe oder Besichtigungen.

Text: Namira McLeod

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