Im Frühjahr 2018 hatte das Sturmtief „Frederike“ mit anschließender Borkenkäferkalamität auf einer großen Fläche im Heisterholzer Forst fast alle Fichten umgeworfen und hier sogar größere Schäden verursacht hatte als der berüchtigte Orkan „Kyrill“ von 2007. Danach hat die Forstverwaltung umfangreiche Maßnahmen zur Neubepflanzung der betroffenen Flächen ergriffen. Achim Büscher, zuständiger Forstbeamter des Landesbetriebes Wald und Holz NRW, hat dem Petershäger Anzeiger vor Ort Einblicke in das Konzept der Forstverwaltung und die bisherige Entwicklung gegeben.
Das Problem mit den Fichten
„Die Fichte wurde auch ,Brotbaum der Holzwirtschaft‘ genannt“, erzählt Achim Büscher. Fichten wachsen relativ schnell, liefern gutes Bauholz und bringen positive Erlöse, weshalb vielerorts in der Bundesrepublik
reine Fichtenbestände angepflanzt wurden. So auch im Heisterholzer Forst. Aber: „Wegen der Bodenverhältnisse ist die Fichte an diesem Standort fehl am Platz“, bringt es der Forstbeamte auf den Punkt. Die sandige oder lehmige Bodenschicht, in der die Fichten im Heisterholzer Wald wurzeln, ist hier meist nur wenige Dezimeter mächtig. Darunter stehen feste Tongesteine an, die für die Wurzeln der Fichten eine Barriere darstellen und bei langanhaltenden Nässeperioden die Fläche komplett unter Wasser stehen lassen. Kein Wunder, dass der Orkan leichtes Spiel hatte. Dass die zahllosen Fichten, die der Sturm 2018 umgeworfen hatte, nur wenig im Boden verankert waren, konnte man damals direkt an den aufgestellten Wurzeltellern erkennen. Eine natürliche Folge dieses Ereignisses war eine starke Verkrautung der in Mitleidenschaft gezogenen Flächen. Der vermehrte Lichteinfall sorgt in solchen Fällen für eine Vermehrung der Mikroorganismen, die wiederum Restholz, Reisig und Nadelstreu über die Jahre in Rohhumus umsetzen, der dann das Krautwachstum fördert. „Hier findet sich insbesondere viel Brombeere in der Fläche, die uns zu schaffen macht“, beschreibt Achim Büscher.
Auch eine Chance für die Natur
Die Wiederbewaldung nach Stürmen, Bränden oder anderen Naturkatastrophen bietet auch die Chance, um Ökosysteme zu revitalisieren und damit ihre Funktionen an veränderte Bedingungen anzupassen. Am Anfang steht dabei in der Regel eine gründliche Bestandsaufnahme des betroffenen Gebietes durch die Forstverwaltung. Dabei werden nicht nur die entwurzelten Bäume erfasst, sondern auch die Bodenbeschaffenheit, das Mikroklima und andere ökologische Faktoren berücksichtigt. Diese Daten dienen als Grundlage für die Planung der Wiederbewaldungsmaßnahmen. „Der Klimawandel stellt auch für unseren Wald eine große Herausforderung dar“, betont Büscher. Mittlerweile erleben wir ein Umdenken von der traditionellen Bewirtschaftung hin zu klimaresilienten Ansätzen, wie dem Übergang von Fichten- zu Eichenbeständen, um den sich verändernden Umweltbedingungen gerecht zu werden. In Bezug auf die Baumarten hat auch die Forstverwaltung neue Erfahrungen gesammelt. „Bis vor zehn Jahren hat man geglaubt, dass die Buche trockenwarme Zeiten gut abkann.“ Es hat sich aber gezeigt, dass im Heisterholz auch die Buche Probleme bekommt. Stark schwankende Grundwasserstände wie Nässeperioden mit anschließender Trockenphase machen den Waldbäumen und insbesondere der Buche sehr zu schaffen. „In den beiden Jahren mit extremer Trockenheit sind die Buchen hier überhaupt nicht klar gekommen.“ Als Konsequenz möchte die Forstverwaltung auf den neuen Flächen Kombinationen verschiedener Baumarten etablieren. Dazu gehört insbesondere Eichen, die tief wurzeln, auch im Tonstein, und in Teilen auch mit Hainbuchen gemischt werden. Anders als früher ist heute auch die Birke gern gesehen.
Hätte die Regeneration auch ohne menschlichen Einfluss funktioniert?
„Prinzipiell hätte sich die Fläche über eine gewisse Zeit auch selbst wieder bewaldet, durch den Samenflug vor allem der umstehenden Fichten, aber auch durch die Samen von Kiefern“, erläutert der Forstbeamte. Hinzu würden üblicherweise Pionierholzarten wie die Birke und die Eberesche kommen, die in der Regel eine solche Fläche als erste besiedeln. „Was aber nicht von selbst kommt, ist die Eiche, die wir gepflanzt haben“, erklärt Achim Büscher. Durch eine Eigenregeneration wäre also nicht die gewünschte Vielfalt erreicht worden und vor allem hätte sich die Eiche nicht in dem Maße durchsetzen können, wie es für die klimatische Stabilität des Waldes gewünscht ist.
Wuchshüllen zur Regeneration
Von einer flächigen Bepflanzung ist die Forstverwaltung abgekommen, auch um die Kosten zu minimieren. Pflanzen wurden nur dort eingebracht, wo es vermeintlich sinnvoll war. Ungefähr 25% der vom Sturm betroffenen Flächen wurden durch die Forstverwaltung neu bepflanzt. Der Rest wurde der Natur überlassen. Dafür hat die Forstverwaltung insgesamt etwa 32.000 Euro investiert. „Wir haben bei der Bepflanzung gezielt Standorte ausgewählt, die nicht von Brombeeren überwuchert waren oder bereits eine natürliche Verjüngung aufwiesen“, beschreibt Achim Büscher die Verfahrensweise. Die Setzlinge wurden dort in Gruppen platziert, um so auch einen gegenseitigen Schutz der jungen Bäume vor ungünstigen Umweltbedingungen zu erreichen. Im Jahr nach der eigentlichen Erstbepflanzung wurden noch einmal 1000 Eichen in Form größerer Setzlinge nachgepflanzt, um auch die Reihen wieder sichtbar zu machen. Dazu wurden auch Wuchshüllen aus Kunststoff eingesetzt (Foto oben), die die Pflanzen nicht nur vor widrigen Wetterverhältnissen schützen, sondern das Wachstum der Setzlinge sogar direkt beschleunigen. In den Wuchshüllen kann sich ein günstiges Mikroklima entwickeln, da es hier wärmer ist als in der freien Umgebung und durch Taubildung auch mehr Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Einen Nachteil weisen die Wuchshüllen allerdings auf: bei extremen Temperaturen besteht die Gefahr, dass Pflanzen darin vertrocknen. Eine zusätzliche Schutzfunktion für den bodennahen Bereich, vor allem als Windschutz, haben die auf der Luftaufnahme erkennbaren langgezogenen Wälle, die mittlerweile weitgehend mit Brombeeren bewachsen sind.
Schutz vor dem Wild
Die neu bepflanzten Bereiche wurden überwiegend mit Umzäunungen umgeben, um die Setzlinge vor Wildverbiss zu schützen. „Manche Baumarten haben nur eine Chance innerhalb eines Gatters“, berichtet Büscher. Eichen hoch wachsen zu lassen, sei ohne Schutz praktisch nicht möglich. „Wir wissen, dass Damwild selbst drei Meter hohe Pflanzen mit den Vorderhufen nach unten drückt, um an die Spitzen der Pflanzen zu kommen.“ Die Zäune stehen jetzt seit vier Jahren und werden sicherlich noch weitere zehn Jahre bleiben. Bereits jetzt sei ein klarer Unterschied zwischen den Pflanzungen innerhalb und außerhalb eines Gatters festzustellen. Aus diesem Grund spielt auch die Bejagung für die Wiederbewaldung eine ganz wichtige Rolle, um den Wilddruck auf die Pflanzungen zu minimieren.
Und die Pflege?
Zum Abschluss des Interviews schickte Achim Büscher noch einen Warnhinweis in Richtung Politik. Demnach steht die Forstverwaltung schon heute vor einem gravierenden Problem, einem akuten Mangel an Fachpersonal. „Wir haben den Anspruch in der Forstwirtschaft, dem Klimawandel im Wald gerecht zu werden. Das bedarf aber einer intensiven Pflege der bewirtschafteten Flächen. Das „A“ und „O“ dafür sind gut ausgebildete Mitarbeiter. Die entscheiden Tag für Tag, was aus einer Fläche wird. Ohne genügend qualifizierte Fachkräfte sind die anstehenden Herausforderungen kaum zu bewältigen.“ (hg)