Freitag, 26. April 2024

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Umweltminister lehnte Fähre zwischen Windheim und Hävern ab

Nachdem die alte Fährverbindung 1976 eingestellt wurde, kam Anfang der 90er Jahre die Idee, den Fährbetrieb wieder aufzunehmen
Seit 2002 bringt die Fähre Fußgänger und Radfahrer zwischen Windheim und Hävern über die Weser. Das Foto zeigt die offizielle Einweihung der „Petra Solara“. Fotos: privat

Windheim (sk). In diesem Jahr starten wir in einer neuen Serie einen Rückblick auf Themen, die die Redaktion des Petershäger Anzeigers vor 30 Jahren beschäftigt hat, und recherchieren den weiteren Verlauf, um zu zeigen, was daraus geworden ist. Den Anfang macht ein Artikel aus der Ausgabe im Februar 1992 über die Ablehnung der Fähre zwischen den Ortschaften Windheim und Hävern. 

Attraktivität als Ablehnungsgrund

Nachdem die alte Fährverbindung 1976 aus ökonomischen Gründen eingestellt wurde, kam von der Stadt Petershagen Anfang der 90er Jahre die Idee, den Fährbetrieb wieder aufzunehmen. In erster Linie wurde dabei an eine, an ein überregionales Fahrradnetz angeschlossene Fahrrad- und Fußgängerfähre gedacht, die sowohl für Touristen als auch für Einheimische attraktiv wäre. Aber genau diese touristische Attraktivität führte dazu, dass das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (MURL), der Regierungspräsident Detmold sowie der Kreis Minden-Lübbecke den Fährbetrieb an dieser Stelle abgelehnt haben. Denn die Zufahrtswege der Fähre verlaufen mitten durch das Naturschutzgebiet Weseraue, aber auch ornithologisch besonders bedeutsame Kernnaturschutzgebiete sind von der Übergangsstelle für Fußgänger und Radfahrer gut zu erreichen. Die Bedenken von MURL, Regierungspräsidenten und Kreis waren, dass unerlaubte „Abstecher“ in diese landschaftlich reizvollen, aber auch besonders empfindlichen Naturschutzgebiete an der Tagesordnung sein würden und so die dortige Vogelwelt gestört werden würde. 

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Altes Fährrecht bringt die Wendung

Die Fähre während der Bauphase 2001.

Nach dieser Ablehnung war es viele Jahre ruhig um die Wiederaufnahme des Fährbetriebs zwischen den beiden Weserdörfern geworden. Erst Ende 2000 ergriff die Ortschaft Hävern die Initiative und holte Windheim mit ins Boot, um einen neuen Versuch zu starten. Im Frühjahr 2001 wurde zur Wiedererrichtung einer Fährverbindung zwischen den beiden Orten der Fährverein Hävern-Windheim e.V. gegründet. Bereits im Vorfeld suchten die Initiatoren das Gespräch mit der Stadt Petershagen, um eine Lösung zu finden, eine Genehmigung für den Fährbetrieb zu erhalten und nicht wie vor zehn Jahre erneut zu scheitern. Zufällig beschäftigte die Stadt zu dem Zeitpunkt einen juristischen Praktikant, der daraufhin den Auftrag erhalten hat, den Fall juristisch einzuordnen. Bei seinen Recherchen stieß er auf das alte Fährrecht von 1848/49 vom Königreich Preußen, das ein unbefristetes Recht erteilt eine Fähre an der Stelle zu betreiben. Weiterhin stellte der beauftragte Jurist fest, dass dieses Fährrecht immer noch gültig ist und so die entscheidende Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Fährbetriebs vorhanden war. Einzige Bedingung in diesem Recht war, dass keine Veränderungen an der Fährstelle erfolgten. Da der Fährverein aber eine Solarfähre inklusive sogenannten Stilllieger, auf dem die Technik und die Solarzellen untergebracht sind, einsetzen wollte, wurde eine Genehmigung hierfür beim Kreis beantragt. Naturschützer waren weiterhin gegen die Fähre, aber der damalige Landrat Wilhelm Krömer war sich sicher, dass Wege gefunden werden, damit die Fähre ihren Betrieb wieder aufnehmen kann. Eine Abstimmung im Landschaftsbeirat des Kreises Minden-Lübbecke unter dem Vorsitzenden Dr. Gerhard Franke, kam mehrheitlich zum Entschluss, dass die geplante Solarfähre unbedenklich für den Naturschutz ist. Auf dieser Basis wurde dem Fährverein Hävern – Windheim e.V. erst eine provisorische Genehmigung für vier Wochen im Jahr 2002 und ab dem Jahr 2003 eine endgültige Genehmigung erteilt. Aber der BUND konnte sich nicht damit anfreunden und reichte beim Verwaltungsgericht Klage dagegen ein – ohne Erfolg, denn die Klage wurde abgewiesen. Daraufhin legte der BUND Revision beim Oberverwaltungsgericht ein, die aber nach einiger Zeit zurückgenommen wurde. Seitdem ist die Genehmigung für das Stilllieger rechtskräftig.

Weitere Entwicklung

Nach eingehender Vorplanung durch den Fährverein wurde von Januar bis Juli 2002 die Solarfähre in Minden durch arbeitslose Jugendliche mit Unterstützung von Schlosser- und Elektromeistern unter Anleitung eines Schiffbauers gebaut. Am 3. August 2002 erfolgte an der historischen Fährstelle die Taufe der Fähre auf den Namen „PetraSolara“ und ihre Jungfernfahrt mit Martin Larisch als erster Fährmann. Danach gab es einen riesigen Ansturm durch die Bevölkerung: An den vier zugelassenen Wochenenden im August 2002 wurden über 4.500 Gäste mit der PetraSolara übergesetzt. In den Jahren 2009 bis 2012 hat der Fährverein Hävern – Windheim e.V. das Besucherlenkungskonzept unterstützt, das von der Biologischen Station umgesetzt und betreut wird. Das Konzept, in dem die Fähre sogar mit eingebunden ist, lenkt Besucher gezielt zu Aussichtshütten, informiert mit Hinweisschildern über die dortige Natur- und Tierwelt und sensibilisiert so für den Naturschutz. Dadurch konnte der lange Konflikt zwischen Naturschützern und Fährverein aufgelöst werden. „Gut dass sich diese Position so gefunden hat – wir wollen ein Miteinander.“ sagt Hermann Humcke stellvertretend für den gesamten Fährverein. Bis heute hat sich die Sorge der Naturschützer nicht berechtigt, denn die Fährnutzer halten sich an die Zuwege zur Fähre. „Ich habe als Fährmann noch nie erlebt, dass jemand die Wege verlassen hat.“ berichtet er von seinen Erfahrungen, denn er war von Anfang an aktiv im Fährverein und als Fährmann dabei. Im Laufe der 20 Jahre hat sich die PetraSolara als Erfolgsstory mit jährlich durchschnittlich 15.000 Nutzern herausgestellt. Über 80 Fährleute sorgen dafür, dass Touristen und Einheimische zwischen Windheim und Hävern trockenen Fußes über die Weser gesetzt werden. Anlässlich ihres 20. Jubiläums am 3. August 2022 sind am darauffolgenden Wochenende je nach Pandemielage Aktionen auf beiden Weserseiten geplant.

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