Montag, 29. April 2024

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Weseraue: Naturschutz auf neuen Wegen

100 Personen waren der Einladung der Arbeitsgemeinschaft Weserlandschaft zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Weseraue gefolgt.
Jens Sachs (v.l., Leiter Hegering Petershagen Nord), Dr. Marcel Holy (NUVD), Bianca Winkelmann (Mitglied des Landtags NRW), Friedhelm Hüneke (Vorsitzender AG Weserlandschaft). Foto: Krischi Meier

Schlüsselburg (kri/ddm). „Wir haben eine andere Vorstellung von Naturschutz, als der derzeit bei uns in Petershagen, insbesondere im EU-Vogelschutzgebiet Weseraue, praktiziert wird. Daher wollen wir uns aktiv einbringen, denn das reine Aufstellen von Verbotsschildern hilft nicht weiter. Mit diesen Worten eröffnete die Arbeitsgemeinschaft Weserlandschaft Mitte August auf dem Rittergut Schlüsselburg eine Informationsveranstaltung zum Thema Weseraue: Naturschutz auf neuen Wegen. An die 100 Personen waren der Einladung der AG gefolgt, darunter auch die heimische Landtagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Bianca Winkelmann – für den Hausherrn und ersten Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft, Friedhelm Hüneke, ein deutliches Indiz für das große Interesse an der Thematik. „In der Weseraue und darüber hinaus befinden wir uns in einem wunderbaren Naturraum, in dem wir als mündige Bürger leben und wirtschaften“, betonte Hüneke in seiner Begrüßung. Die Arbeitsgemeinschaft habe sich schon in den vergangenen Jahren immer wieder für diesen Raum engagiert. Das wolle man auch weiter tun und habe deshalb in enger Zusammenarbeit mit dem Hegering Petershagen Nord und dessen Leiter Jens Sachs über Möglichkeiten und Konzepte nachgedacht. Herausgekommen seien Ideen zu einem Modellprojekt für Verbesserungen in den Schutzgebieten. Hüneke freute sich, dafür die Unterstützung von einem ebenso versierten wie anerkannten Fachmann „aus der Nachbarschaft“ gewonnen zu haben, Dr. Marcel Holy von der Natur- und Umweltschutzvereinigung Dümmer e.V. (NUVD).

Was ist die NUVD?

In seinem anschließenden Vortrag schilderte Dr. Holy zunächst, dass man am Dümmer vor etwa 15 Jahren begonnen habe, neue Wege im Natur- und Artenschutz zu betreten. Naturschutz sollte nicht mehr – wie in den Jahren und Jahrzehnten zuvor – gegen, sondern zusammen mit den Menschen praktiziert werden, insbesondere Personen die berechtigte Interessen vor Ort haben, etwas weil sie Landwirtschaft betreiben, von Tourismus leben, oder einfach heimische Natur genießen wollen. Da dieser Ansatz auch bei der Landesregierung in Niedersachsen und den dortigen Naturschutzverbänden, gut ankam, sei im August 2009 die Natur- und Umweltschutzvereinigung Dümmer e.V. (NUVD) gegründet worden. Partnerschaften mit zahlreichen Organisation vor Ort sowie Kooperationsverträge mit dem Land und den Landkreisen sorgen inzwischen für eine umfassende Einbindung der Bevölkerung in die Naturschutzarbeit. Das Kernziel dabei: Naturschutz soll im Konsens durchgeführt werden, um einen dauerhaften Erfolg der Maßnahmen sicher zu stellen.

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Ein Konzept für die Weseraue

Ein Konzept, das am Dümmer zu beachtlichen Erfolgen und zu erkennbar positiven Entwicklungen in der Vogelwelt geführt hat, war ein durchdachtes Prädatorenmanagement. Angesichts schon länger bestehender guter Kontakte zum Leiter des Hegerings Petershagen Nord, Jens Sachs, lag es nahe, die Übertragung bestimmter Maßnahmen vom Dümmer auf die Weseraue ins Auge zu fassen. Und so präsentierte Dr. Holy in Schlüsselburg nun nach vorausgegangenen, intensiven Beratungen „Ideen für ein Modellprojekt zum Prädatorenmanagement im EU-Vogelschutzgebiet Weseraue“, so der offizielle Titel seines Vortrages.
Ausgangspunkt der Überlegungen und erste Datenquelle war dabei der sogenannte Vogelschutz-Maßnahmenplan (VMP) für die Weseraue, den das Planungsbüro UIH (Umweltinstitut Höxter) 2018 im Auftrag des Düsseldorfer Umweltministeriums erarbeitet hatte. Ein Prädatoren Management wird im Vogelschutz Maßnahmenplan jedoch kaum berücksichtigt, da jagdliche Maßnahmen als Störung angesehen werden. Wesentliche Komponente des geplanten VMP ist die Ausweitung ordnungsbehördlicher Regelungen, um mit Verboten und Einschränkungen vermeintliche Störungen zu unterbinden. Wenn man auf die aus den Jahren 2014 und 2015 stammenden Zahlen im Vogelschutz-Maßnahmenplan blicke, liege das Gebiet „ziemlich am Boden“. Neuere Zahlen aus den Jahren 2020 und 2021 sähen nicht besser aus. Zitat Dr. Holy:„Die Bodenbrüter sind die Prügelknaben in unserer Landschaft, die kriegen es von allen Seiten.“ Die bisherigen Maßnahmen hätten offensichtlich wenig gefruchtet: „Da besteht Handlungsbedarf und genau da könnte man mit einem solchen Projekt ansetzen.“ Dazu Dr. Holy: „Jagd ist ein ganz wichtiges Handwerkszeug, um Schutzgebiete zu entwickeln. Das Gebiet sei vielfältig und reich an Strukturen und habe deshalb viel Potential. Man müsse sich aber auch bewusst sein, dass es einen ziemlichen Aufwand erfordere, wenn bei der Reduktion des Raubwildes etwas Messbares herauskommen solle. Man dürfe nicht gleich im ersten Jahr durchschlagende Erfolge erwarten. Ein Prädatorenmanagement müsse, getragen von den Leuten vor Ort, langsam wachsen. Auch wenn es offensichtlich viel Bereitschaft gebe, sich einzubringen, wäre zu überlegen, das Projekt in der Weseraue auch mit einer hauptamtlichen Kraft zu unterstützen.

Kein Konkurrenzunternehmen

Einen Aspekt stellte der Experte vom Dümmer noch besonders heraus: Man wolle nicht in Konkurrenz zu anderen Akteuren treten, etwa der Biologischen Station des Kreises Minden-Lübbecke. Das Thema Prädatorenmanagement sei in der Weseraue aktuell unbesetzt. Darauf solle und wolle man sich beschränken und zeigen, was mit diesem Werkzeug erreicht werden könne. Auch dabei könne eine Kooperation ausgesprochen hilfreich sein. Auf der einen Seite seien der Jägerschaft durch den Schutzgebietsstatus oft die Hände gebunden. Es gäbe nur kurze Zeitfenster und nur bestimmte jagdliche Methoden, die zulässig seien. Umgekehrt seien das Kreisumweltamt und die Biostation nicht in der Lage, effiziente jagdliche Dinge selbst durchführen, da sie weder über das Jagdrecht noch das Grundeigentum verfügten, noch die Leute vor Ort hätten. An den Vortrag schloss sich eine breite Diskussion an, an der sich zahlreiche Akteure aus den Bereichen Landwirtschaft, Forst, Jagd und Fischerei mit Beiträgen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln beteiligten. Es wurde die Notwendigkeit für eine professionelle Unterstützung und vor allen Dingen den Schulterschluss mit der NUVD gesehen. Beim Thema Finanzen ging der Blick von Friedhelm Hüneke in Richtung Landespolitik, vertreten durch Bianca Winkelmann, die sich dem Tenor der Veranstaltung anschloß: „Wir brauchen nicht mehr Verbote. Wir müssen die Schutzgebiete, die wir haben, besser managen.“ Man darf gespannt sein, wie sich das Projekt entwickelt.

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