Donnerstag, 12. Dezember 2024

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„Entscheidend ist der Umgang miteinander“

Jutta Niemann, Leiterin der Biologischen Station.

Petershagen. Wenn Landwirtschaft, Tourismus, Jagd und Fischerei wie in der Petershäger Weseraue auf vergleichsweise engem Raum mit dem Naturschutz konkurrieren, sind Nutzungskonflikte vorprogrammiert. Für diese Folge unserer Serie haben wir mit der Leiterin der Biologischen Station des Kreises, Jutta Niemann, über Sichtweisen des Naturschutzes gesprochen.

Sie wird von vielen als „Galionsfigur“ des Naturschutzes in unserer Region gesehen – mit durchaus unterschiedlichen Bewertungen. Jutta Niemann arbeitet seit gut 30 Jahren für die Belange des Naturschutzes in unserer Region. Im Gespräch kommt sie sehr schnell auf die Punkte, die ihr mächtig unter den Nägeln brennen und redet dabei offen auch über die Konflikte, die bei ihr seit vielen Jahren fast zum Tagesgeschäft gehören. Nach einer Stunde Interview könnte man wahrscheinlich schon ein Buch füllen, weshalb in diesem Beitrag nur einige Aspekte gestreift werden können.

„Das Konfliktpotential ist riesig“ 

Die abgebildete Graugans hat sich zum Nisten einen Platz auf zusammengeschwemmten Holz am Rand der Lahder Aue gesucht.

Angesichts des fortschreitenden Artensterbens, dass mittlerweile dramatische Formen angenommen hat, sieht die Leiterin der Biologischen Station die Funktion der Weseraue mit dem Vogelschutzgebiet von internationaler Bedeutung als unverzichtbares Trittsteinbiotop, dessen Status man eigentlich ausbauen, angesichts der aktuellen Entwicklungen aber wenigstens in der bestehenden Form erhalten solle. Voraussetzung sei dafür, dass Störungen jeglicher Art für die Tiere zu vermeiden seien. Das sei nicht nur angesichts des stetig anwachsenden Tourismus eine schwierige Aufgabe.

Ein besonderer Reizpunkt ist für Niemann das Thema Vergrämung von Schwänen und Gänsen auf Ackerflächen innerhalb der Marschbereiche. Anhand des Verhaltens der Tiere lasse sich feststellen, dass offensichtlich überall im Bereich der Weser-

aue Vergrämungsmaßnahmen stattfinden. Zudem gebe es hinreichende direkte Beobachtungen dazu. Beleg seien unter anderem auch die enormen Fluchtdistanzen der Tiere, die längs der Weser wesentlich größer seien als zum Beispiel am Niederrhein. Und auch an der abnehmenden Zahl beispielsweise der in der Weser überwinternden Singschwan-Population lasse sich die Wirkung solcher Maßnahmen ablesen. 

Dass durch die Überwinterungsgäste landwirtschaftliche Schäden entstehen, räumt die Biologin ohne weiteres ein. Angesichts der Erstattung von Fraßschäden durch das Land NRW und den Kreis fehle ihr jedoch jegliches Verständnis für solche Vergrämungsmaßnahmen.

Vor dem Hintergrund wachsender Besucherzahlen insbesondere auch von Radtouristen begrüßt Niemann ausdrücklich das Besucherlenkungskonzept. Mit der Ausweisung von Wegen, dem Aufstellen von Tafeln und Beobachtungshütten, habe man Lenkungsmechanismen gefunden. Es seien tolle Wegekonzepte entwickelt worden, damit Wege „auch so genutzt werden, wie wir uns das wünschen.“ Das bedeute aber auch, dass man auch Schlagbäume respektieren müsse. Leider würden sich viele Leute eben nicht  an die Regelungen halten, sowohl Einheimische als auch Gäste. Dazu käme das Problem freilaufender Hunde, dass sie in allen Naturschutzgebieten sieht.

Die viel viel genutzte Solarfähre, die Hävern und Windheim verbindet, akzeptiert die Biologin, auch wenn sie nicht so ganz glücklich damit ist. Begründet ist das unter anderem durch die zunehmende Infraktruktur auf der Häverner Seite der Fährstelle, wo sie trotz Durchfahrtverbotes zunehmend auch Wohnmobile beobachte. An dieser Stelle werde für sie eine Kernfrage berührt: „Muss man Kompromisse eingehen, wenn der Antrieb allein wirtschaftliche Gründe sind?“ Wobei sie deutlich differenziert, ob es um Existenzen oder um eine Aufwertung für touristische Zwecke geht.

Die auf der Roten Liste sehenden Wiesenschafstelzen ernähren sich bevorzugt von Insekten, die von grasendem Vieh aufgescheucht werden. Kein Wunder also, dass sich die Vögel immer nahe an den Köpfen oder Hufen der Rinder bewegen. Die Aufnahme aus Hävern stmmt vom 20.4.2019.

Auch beim Umgang mit anderen Gruppen ein differenzierendes Bild. Beim Thema Prädatoren zum Beispiel sieht sie die Zusammenarbeit mit der Jägerschaft auf einem guten Weg. „Dem Thema Prädatoren müssen wir uns stellen, vor allem, seit der aus Nordamerika stammende Waschbär da ist.“ Der sei ein Prädator par excellence, der nicht nur Gelege ausnehme, sondern sich selbst Amphibien aus den Sammeleimern hole, wenn im Frühjahr die Amphibienschutzmaßnahmen laufen. Auch die Auswirkungen durch den Fuchs vor allen Dingen auf die Wiesenbrüter seien enorm. Hinzu kämen auch noch Marder und Marderhund. Da viele Gelege nachts verschwänden, könnten nur Raubsäuger am Werk sein. 

„Dass man gemeinsam mit der Jagd ein Prädationsmanagement erarbeitet, ist zwingend notwendig.“ Man müsse im Vorfeld überlegen:  Was mache ich wann, wo, wie? Wo sind Fallen sowohl aus naturschutzfachlicher und jagdlicher Sicht sinnvoll.

Der letzte Teil des Gespräches drehte sich um die Frage, „warum der Naturschutz eigentlich so ein mieses Image hat.“ Auch hier bezieht die Biologin eine klare Position. Ihre Einschätzung dazu: Wenn man seitens der Bevölkerung Natur- und Artenschutz ernsthaft will, muss man sich mit seinen Bedürfnissen irgendwann zwangsläufig auch einmal zurückhalten. „Man muss dann auch einmal bereit sein zu sagen: In bestimmte Bereiche gehe ich nicht, bestimmte Sachen mache ich nicht. Dazu sind viele aber offensichtlich nicht bereit. Damit wird der Naturschutz automatisch zum Feindbild.“ Das wiederum führe dazu, das Kompromissangebote seitens des Naturschutzes gar nicht erst wahrgenommen würden. Hier appelliert Niemann an die Intelligenz der Bürger: „Wir wären alle froh, wenn sich die Bevölkerung einfach nur an die Naturschutzverordnung halten würde, dann hätten wir weniger Probleme.“

Blick auf eine ehemalige Kiesgrube in der Windheimer Marsch, in der der Abbau vor rund zwei Jahren beendet worden ist. Durch das Unternehmen wurden in dem See bereits während des laufenden Abbaubetriebes zahlreiche Inseln und Flachwasserbereiche zur ökologischen Aufwertung aufgeschüttet.

Text: Dietmar Meier, Fotos: Dietmar Meier (3), Krischi Meier (1), privat (1)

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