Donnerstag, 25. April 2024

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Zu Besuch im Laufwasserkraftwerk Petershagen

Wenn das Stichwort Energieproduktion fällt, wandert der Blick in der Stadt Petershagen naturgemäß zunächst nach Lahde zum Steinkohlekraftwerk Heyden. Im Stadtgebiet wird aber durchaus auch Energie aus regenerativen Quellen erzeugt.

Foto: Krischi Meier

Petershagen (ddm). Wenn das Stichwort Energieproduktion fällt, wandert der Blick in der Stadt Petershagen naturgemäß zunächst nach Lahde zum Steinkohlekraftwerk Heyden. Im Stadtgebiet wird aber durchaus auch Energie aus regenerativen Quellen erzeugt, wenn auch in deutlich geringerem Umfang als im Werk Heyden. Dazu gehören insbesondere die beiden 1954 (Petershagen) und 1956 (Schlüsselburg) in Betrieb genommenen Laufwasserkraftwerke an den Weserstaustufen in Petershagen und Schlüsselburg, die das norwegische Unternehmen Statkraft 2009 von E.ON übernommen hat. Statkraft-Mitarbeiter Ehler Döhrmann hat dem Petershäger Anzeiger einmal Einblick in das Werk in Petershagen und in mancherlei interessante Zusammenhänge gewährt.

Funktionsweise eines Laufwasserkraftwerks. Grafik: privat

Historie

Die beiden Weserstaustufen im Stadtgebiet sind Teil des Ausbaus der Mittelweser, die die Region zwischen Minden und Bremen auch im Sommer durchgängig schiffbar gemacht und zudem besser vor Hochwasser geschützt werden sollte, und die Grundwasserhaltung verbesserte. Grundlegende Ideen für die Region, zu denen auch der Bau des Mittellandkanals, sowie der Diemel- und der Edertalsperre gehörten, waren schon im vorletzten Jahrhundert unter Federführung des damaligen kaiserlichen Wasserbauplaners Leo Sympher entwickelt worden (der übrigens an der Schachtschleuse in Minden mit einer Bronzebüste gewürdigt ist), erzählt Ehler Döhrmann.
Den Anfang an der Mittelweser machte das Wasserkraftwerk in Dörverden, das 1914 in Betrieb ging. Von dort war damals eine direkte Stromleitung zum Pumpwerk in Minden verlegt worden, das den Mittellandkanal mit Wasser aus der Weser versorgte. Fortgesetzt wurden die Arbeiten an der Mittelweser jedoch erst Ende der 1930er Jahre. Die nachfolgenden historischen Fotos geben einen Eindruck von den Bauarbeiten am Petershäger Stauwehr Ende 1938. Infolge des Kriegsgeschehens zwischen 1939 und 1945 waren die Bauarbeiten dann jedoch ausgesetzt worden. Es dauerte bis 1954, bis die Stauwehre in Petershagen und Schlüsselburg mit den notwendigen Schleusen und Schleusenkanälen schließlich fertiggestellt waren und die angeschlossenen Laufwasserkraftwerke ihren Betrieb aufnehmen konnten. Etwas später folgten die Werke in Landesbergen, Drakenburg und Langwedel.

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Funktionsweise

„Ganz einfach erklärt: Wasser fließt oben rein und unten wieder raus. In der Mitte dreht es einen Propeller mit einem Dynamo und dann kommt Strom dabei raus“, beschreibt Ehler Döhrmann schmunzelnd das Funktionsprinzip eines Laufwasserkraftwerkes.
Technischer formuliert ist es der Wasserdruck, der infolge des Höhenunterschiedes zwischen der aufgestauten Seite südlich des Stauwehres („Oberwasser“) und dem „Unterwasser“ nördlich des Wehres ein Turbinenrad in Betrieb setzt und damit einen Generator antreibt, der Strom erzeugt (Abbildung …). Je größer der Höhenunterschied ist und um so mehr Wasser durch die Turbinen fließt, desto mehr elektrische Energie kann gewonnen werden. Zusammen haben die drei in Petershagen installierten Turbinen eine Nennleistung von 3,3 MW. Im Jahr produzieren sie durchschnittlich 17 Millionen kWh. Soweit es das Wasserangebot zulässt, werden Laufwasserkraftwerke möglichst im Dauerbetrieb mit Höchstleistung eingesetzt, so dass sie zur Grundlastversorgung beitragen.
In Schlüsselburg sind drei weitere Turbinen installiert, deren Nennleistung aufgrund des größeren Gefälles zwischen Ober- und Unterwasser zusammen 5,0 MW beträgt.
Die Maschinentechnik und die Art der Stromproduktion hat sich seit der Inbetriebnahme der Werke 1954/56 nicht verändert. Betrieben und gewartet werden alle Werke an der Weser vom Standort Dörverden aus. Alle 12 bis 15 Jahre wird eine Revision durchgeführt, bei der die Maschinen durchgecheckt und Teile sofern notwendig ausgetauscht werden.
Was sich mittlerweile verändert hat, ist die Steuerung, die in den letzten fünf Jahren an allen Standorten auf moderne Technik umgerüstet worden ist.
Die eigentliche Herausforderung besteht darin, auch bei unterschiedlichen Wasserständen möglichst eine optimale Stromausbeute zu erzielen. Denn durch die Turbinen darf jeweils nur so viel Wasser „geschleust“ werden, dass der Pegelstand im Oberwasser beibehalten wird. Reguliert wird der Durchfluss durch einen steuerbaren Leitapparat im Einlauf zu den Turbinen (in der Grafik: Leitschaufeln). Sobald die Maschinen arbeiten, liegt die rechtliche Verantwortung für den Pegelstand bei Statkraft. Stehen die Maschinen still, ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) für den Pegelstand verantwortlich.
Die drei in Petershagen installierten Turbinen sind so ausgebaut, dass jede einen Durchfluss von 50 Kubikmeter pro Sekunde ermöglicht, in der Summe also 150 Kubikmeter pro Sekunde. Führt die Weser zu wenig Wasser, so dass der Durchfluss sinkt, wird üblicherweise eine der Maschinen abgestellt. Sinkt die Höhendifferenz zwischen Ober- und Unterwasser umgekehrt auf unter einem Meter (Hochwasser), wird die Stromproduktion komplett eingestellt.
Überwacht werden alle Laufwasserkraftwerke an der Weser wie auch die an Werra, Fulda und Eder inzwischen von einer zentralen Leitwarte aus, die sich im Pumpspeicherkraftwerk in Erzhausen befindet.

Treibgut

Wer gelegentlich den Stauwehrübergang zu Fuß oder mit Fahrrad nutzt, wird sicher schon einmal den Bagger in Aktion erlebt haben, der das Treibgut vor dem Turbinenhaus mittlerweile vollautomatisch aus dem Wasser holt und in zwei bereitstehende Container befördert. Ein Metallgitter, der Einlaufrechen, sorgt dafür, dass keine in der Weser treibenden groben Teile in die Turbinen gelangen. „Im Sommer reichen zwei Container meistens für 2 bis 3 Monate aus. Im Herbst kann es vorkommen, dass die beiden Container manchmal sogar einmal pro Woche geleert werden müssen“, berichtet Ehler Döhrmann. Das gesammelte Rechengut wird — ebenso wie das Rechengut aus den anderen fünf Werken an der Mittelweser – nach Visselhövede gebracht, wo Störstoffe wie Glasflaschen, Plastikbehälter etc. mittels Bagger und Schaufel manuell aussortiert werden. Es verbleibt Biomasse (meist weit über 90 Prozent des Rechengutes), die geschreddert nach Landesbergen gebracht und dort im Biomassekraftwerk verwertet wird. Für alle 6 Weserkraftwerke von Statkraft zusammen beläuft sich die Treibgutmenge auf 400 bis 600 Tonne im Jahr.

Blick auf eine Turbine zur Stromerzeugung. Foto: Dietrmar Meier
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