Lahde (ddm). Seit Uniper Anfang Dezember 2020 verkündet hatte, Heyden 4 zum Jahresende endgültig still legen zu wollen, verfolgt der Petershäger Anzeiger die Entwicklungen rund um das heimische Kohlekraftwerk bekanntlich aufmerksam. Dazu gehört auch ein regelmäßiger Blick auf die Daten zur Stromerzeugung in der Bundesrepublik. Nachdem im April die letzten Kernkraftwerke vom Netz genommen wurden, beobachtet man in der Statistik eine ungewohnte Entwicklung: Um den Strombedarf zu decken, ist die Bundesrepublik jetzt offensichtlich in erheblichem Maß von Stromimporten aus dem Ausland abhängig. Nur an wirklich stürmischen Tagen kann der Bedarf durch Anlagen im Inland gedeckt werden. Für gewisse Stabilität sorgt die Produktion von Solarenergie, die im Vergleich mit 2020 erkennbar zugenommen hat — allerdings nur vom Vormittag bis zum späten Nachmittag. Die Ausbeute der heimischen Windkraftanlagen zeigte sich in den vergangenen Monaten wie bekannt als wenig beständige Energiequelle. Die massiven Stromimporte werfen auch auf den von der NRW-Regierungskoalition aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen für 2030 angesetzten Kohleausstieg nochmal ein anderes Licht. Der Leiter des Lahder Kraftwerks, Uwe Knorr, hatte im Interview mit dem Petershäger Anzeiger 2021 auf die Notwendigkeit hingewiesen, im Rahmen der Energiewende neue Gaskraftwerke in Betrieb zu nehmen. In der Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen für den Zeitraum 2022-2027 ist gleiches zu lesen: „Die Versorgungssicherheit werden wir für das Industrieland Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Bundesregierung zu jedem Zeitpunkt gewährleisten und die dazu jeweils notwendigen Maßnahmen ergreifen. Dies erfordert eine ausreichende Menge an gesicherter steuerbarer Leistung. Neben den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien ist dazu im Übergang der Bau moderner Gaskraftwerke notwendig, auch um den steigenden Strombedarf zu decken.“ Der Petershäger Anzeiger hat jetzt im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium nach dem diesbezüglichen Stand gefragt. Hier Auszüge aus der Antwort des Ministeriums, das von Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen) geführt wird: „Damit der ambitionierte Kohleausstieg bis 2030 im Rheinischen Revier gelingen kann, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden, betont die Eckpunktevereinbarung auch den erforderlichen Zubau gesicherter steuerbarer Leistung. Das BMWK (zur Erl.: Bundeswirtschaftsministerium) plant in diesem Zusammenhang, den Bau flexibler Kraftwerke zu ermöglichen, die zunächst mit Erdgas, aber bis 2030 mit mindestens 50 Prozent und bis spätestens 2035 zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können. Die Bundesregierung will hierfür den erforderlichen Rahmen schaffen. Die Bundesnetzagentur schätzt den bundesweiten Zubaubedarf an gesicherter Leistung auf 17 bis 25 Gigawatt bis zum Ende dieses Jahrzehnts. … Die Schaffung eines geeigneten Investitionsrahmens gestaltet sich jedoch offenbar insbesondere mit Blick auf die beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Union herausfordernd.“ In alltägliches Deutsch übersetzt, beinhaltet diese Mitteilung nach unserer Auffassung: a) dass das Ministerium die Verantwortung für das Gelingen des angekündigten NRW-Kohleausstiegs nicht in Düsseldorf, sondern (gerne) in Berlin sieht und b) dass man in Berlin offensichtlich auf der Suche nach den Milliarden ist, die es der Industrie schmackhaft machen sollen, neue Gaskraftwerke zu errichten. Angesichts der Erfahrung, dass allein für die Genehmigung einer neuen Kiesabgrabung in der Stadt Petershagen schon mal 5 bis 7 Jahre vergehen können, darf man – um es mal etwas provokativ zu formulieren – sicher getrost fragen, ob 2030 wenigstens schon Standorte für neue Gaskraftwerke benannt sein werden.
Einige Grafiken zur Erläuterung der beschriebenen Sachverhalte
Daten: www.agora-energiewende.de




